Gersthofen, im November 2022. Deuter, Hersteller von Rucksäcken, Schlafsäcken und Accessoires, hat zum Abschluss seiner Promise Tour an den Unternehmenssitz nördlich von Augsburg geladen. Das Versprechen: Deuter repariert sämtliche Produkte, an denen der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen hat. Ein defekter Reißverschluss? Eine kaputte Schnalle? Ein Loch im Daunenschlafsack? „Kein Problem“, sagt Unternehmenssprecherin Angela Vögele. Viele der Produkte erhalten bei Deuter ein zweites Leben.
Lange Zeit lief das eher im Verborgenen. „Deuter hat es gemacht, aber nicht darüber gesprochen. Reparieren war einfach nicht sexy“, erklärt Vögele. In den vergangenen Jahren hat sich da viel verändert. Heute fahren drei Deuter-Mitarbeiter mit Nähmaschine, Garn und Ersatzteilen durchs Land. Sogar Rucksäcke, die über viele Jahre im Keller oder auf dem Dachboden verstaubten, machen sie wieder einsatzfähig. Fast 5.000 Reparaturen werden mittlerweile von Deuter pro Jahr zum Selbstkostenpreis durchgeführt. 5.000. Das klingt eher bescheiden. Aber die Tendenz ist steigend. Und zwar rasant, wie man in dem Gespräch mit Angela Vögele erfährt. Auch für Deuter selbst ergeben sich Vorteile. „Allein dadurch, dass wir Restmaterialen wiederverwerten und dadurch weniger Müll produzieren, haben wir auch Effizienzgewinne“, erklärt sie.
Es ist paradox: Mit dem Auto fährt man ganz automatisch in die Werkstatt, wenn etwas kaputt ist. Die Reparatur von Bekleidung, Schuhen und auch Produkten wie Taschen wird aber bis heute eher stiefmütterlich behandelt. Von Verbrauchern genauso wie von Herstellern. Dabei soll allein die Textil- und Schuhbranche für zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sein. Die Fertigung funktioneller Textilien belastet die Umwelt außerordentlich. Eine Zahl lässt besonders aufhorchen: Vor der Corona-Krise lag die durchschnittliche Halbwertszeit für ein T-Shirt bei 38 Tagen, erläuterte Professor Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam und Inhaber des Lehrstuhls „Technik- und Umweltsoziologie“ an der Universität Stuttgart, bei der Arbeitstagung der CSU-Landtagsfraktion im Mai 2021. Nach diesen 38 Tagen wird ein T-Shirt statistisch gesehen weggeworfen und es gibt ein Neues.
Immer mehr Hersteller von Outdoor-Bekleidung versuchen seit einigen Jahren, neue Wege zu beschreiten. Sie geben sich neue Unternehmenswerte, stellen ihre Lieferketten um, schauen genau auf die Arbeitsbedingungen an Produktionsstandorten im Ausland, verwenden recyceltes Plastik für Funktionsbekleidung oder arbeiten überhaupt nur noch mit nachwachsenden Rohstoffen.
Ein weiteres Beispiel aus der traditionsreichen Textilregion Augsburg ist der Bekleidungshersteller Schöffel. Schöffel hat seinen Sitz südlich von Augsburg, in Schwabmünchen. 1804 gegründet, steht Schöffel seit mehr als fünf Jahrzehnten für funktionelle, hochwertige Ski- und Outdoorbekleidung. Bis 2030 will Schöffel seinen CO2-Fußabdruck im Vergleich zum Basisjahr 2019 halbieren. „Das ist eine riesige Herausforderung. Aber realistisch“, sagt Marco Tenace, der bei Schöffel für alles zuständig ist, was mit Corporate Responsibility zu tun hat, also dem freiwilligen Beitrag des Unternehmens zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die Klimaneutralität hat Schöffel am Firmensitz in Schwabmünchen schon umgesetzt. Weitere Ideen sind in der Pipeline.
Bildergalerie der bayerischen Outdoor-Branche
Auf die Spitze getrieben hat Schöffel seine Nachhaltigkeitsbestrebungen in einer Hose, die den Namen „CIRC Pants Looop“ trägt, und die ab Frühjahr 2023 im Handel ist. Dazu muss man wissen: Derzeit können etwa achtzig Prozent aller Textilien aufgrund der verwendeten Mischmaterialien nicht sinnvoll wiederverwertet werden. Mit der Hose hat Schöffel gezeigt, dass es auch anders geht. Die CIRC Pants Looop setzt die Idee der Kreislaufwirtschaft zu 100 Prozent um. Nach einer möglichst langen Tragezeit, die durch Reparaturen verlängert wurde, kann diese Hose vollständig recycelt werden, so das Versprechen von Schöffel. Kurz gesagt: Die verwendeten Fasern haben einen unendlichen Lebenszyklus.
Für diese Innovation gab es auf der ISPO, der größten Sportartikelmesse der Welt, den renommierten ISPO Award 2022. „Um die wichtige Frage beantworten zu können, wie Kreislaufwirtschaft funktionieren könnte, muss man es ausprobieren. Schöffel hat den ersten Schritt getan und mit der Hose aus Monomaterial eine denkbare Lösung entwickelt und auch den Recycling- Prozess mitgedacht“, lobte Jury-Mitglied Dr. Regina Henkel die Innovationskraft der Schwaben.
Greenwashing, also der Nachhaltigkeitsanstrich für Marketing- und PR-Zwecke, ist der falsche Ansatz. Ist das mit Blick auf den Umsatz aber nicht kontraproduktiv? „So denken wir nicht“, sagt Marco Tenace von Schöffel. „In Summe können wir sagen, dass Produkte, die unter einer nachhaltigen Wertschöpfungskette entwickelt und produziert werden, teurer sind. Wir haben uns als Unternehmen für diesen Weg bewusst entschieden. Es ist uns wichtig, dass wir langfristig denken und unsere Produkte auch in der Zukunft in einer intakten Umwelt genutzt werden können“, sagt Marco Tenace. Das Unternehmen wolle durch das eigene Vorbild und die Produkte seine Kunden inspirieren, bewusster zu handeln und bewusster zu konsumieren.
Eine Umfrage, die Schöffel bei YouGov mit Blick auf den Wintersport in Auftrag gegeben hat, scheint den Unternehmenskurs zu bestätigen. Das Ergebnis: Gerade für Wintersportler werde Nachhaltigkeit wichtiger. Fast die Hälfte der Befragten gab an, schon immer oder zunehmend auf nachhaltige Produkte für den Sport zu achten. Etwa genauso viele erklärten, qualitativ hochwertige Produkte mit einer langen Lebensdauer zu kaufen. Gut ein Drittel achte demnach auf sorgsame Pflege und ein Fünftel lege Wert auf nachhaltige Materialien aus Recycling oder biologischem Ursprung.
Während Deuter und Schöffel in Asien produzieren, geht Ortlieb mit Sitz in Heilsbronn in Mittelfranken einen ganz eigenen Weg. Einen Namen machte sich das 1982 gegründete Unternehmen nicht zuletzt durch einen jahrelangen Rechtsstreit mit dem Versandhändler Amazon, aus dem Ortlieb als Sieger hervorging. Ortlieb produziert seine Fahrradtaschen, Rucksäcke und Reisetaschen ausschließlich in Bayern. Auch mehr als zwei Drittel des eingesetzten Materials stammt aus Deutschland. „Das ist gut für Mensch und Umwelt, weil Deutschland im weltweiten Vergleich sehr hohe Sozial- und Umweltstandards besitzt. Außerdem garantieren wir so kürzere Transportwege, eine besser nachvollziehbare Lieferkette, geringere Emissionen und schnellere Lieferzeiten“, erklärt Unternehmenssprecher Peter Wöstmann. Zur Unternehmensphilosophie gehört bei Ortlieb neben der Langlebigkeit auch die möglichst leichte Reparierbarkeit der Produkte und bei der Herstellung möglichst wenig Verschnitt. Ob das wirtschaftlich ist? „Vermutlich wäre der Umsatz höher, wenn die Taschen nicht so robust wären. Weniger Konsum minimiert aber den CO2-Fußabdruck deutlich. Wir haben allein 2022 mehr als 18.000 Reparaturen durchgeführt“, sagt Wöstmann. Zusätzlich schult Ortlieb Partner weltweit, um Reparaturen nicht nur selbst anbieten zu können, sondern zudem die Versandwege aufgrund der Reparaturen zu minimieren. So will Ortlieb seinen Nachhaltigkeitsgedanken auf der ganzen Welt zu den Verbrauchern bringen.