Seit Dezember letzten Jahres ist Angelika Schorer Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes, des mitgliederstärksten Landesverbands des DRK. 26.500 hauptamtlich Mitarbeitende und 180.000 Ehrenamtliche engagieren sich beim BRK, 750.000 Fördermitglieder zählt der Verband. Wir haben mit Angelika Schorer über freiwilliges Engagement gesprochen, wie sehr ihre Kindheit sie beim Thema Ehrenamt geprägt hat und welche Themen sie in den kommenden Monaten vorantreiben will.
Seit 50 Jahren Mitglied im Radfahrverein, 45 Jahre bei den Schützen – Angelika Schorer ist selbst seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich aktiv. Das zieht sich bei ihr durch die Generationen: Ihr Urgroßvater Bürgermeister, ebenso der Großvater, der zudem in zahlreichen Vereinen aktiv war. Auch ihr Vater engagierte sich vor Ort und Schorer war von klein auf immer mit dabei. Seit 20 Jahren ist sie eng verbunden mit dem BRK und seit 13 Jahren Vorsitzende des BRK Bezirksverbands Schwaben. Im Dezember 2021 haben sie die BRK-Delegierten in das oberste Amt gewählt. In den rund 80 Jahren seit Wiedergründung des Bayerischen Roten Kreuzes ist sie die zweite Frau an dieser Position. Ihre tiefe Verwurzelung im Ehrenamt war es auch, die bei ihrer Wahl zur Präsidentin den Ausschlag gegeben hat.
Zwei ihrer vier Kinder sind heute auch im Ehrenamt aktiv: „Allerdings ist es heutzutage deutlich schwieriger“, so Schorer, „allein schon, weil junge Menschen heute in der Regel nicht mehr nur an einem Ort leben. Studium im Ausland, wegen dem Arbeitsplatz in ein anderes Bundesland. Das sind heute die Realitäten und da wird es schwer mit einem festen Verein“, so Schorer.
Beim BRK sei das zum Glück noch etwas anders, beobachtet sie: „Einmal BRK, immer BRK“ – das gilt für viele Engagierte beim Roten Kreuz. Attraktiv sei dort vor allem das Aus- und Fortbildungskonzept, ist sich Schorer sicher. „Schon die Jugendlichen bauen immenses Wissen auf, nehmen es mit und können sich innerhalb des Verbands immer weiter fortbilden. Das bleibt fürs Leben.“ Was Mitglieder hält und anzieht ist aber natürlich auch der soziale Aspekt: die gemeinsamen Aktivitäten. „Das geht schon beim Jugendzeltlager an, da ist man gerne dabei und das schweißt zusammen. Beim BRK entstehen so oftmals Freundschaften fürs Leben“, betont Schorer.
Rotes Kreuz – das ist nicht nur Rettungsdienst und Krankentransport. Beim Katastrophen-Hochwasser im Ahrtal war das Bayerische Rote Kreuz mit weit über tausend Helfern vor Ort. Das Rote Kreuz betreibt Seniorenheime und Krankenhäuser, stellt Flüchtlingsunterkünfte, es gibt Schwesternschaften und in Pandemiezeiten stampfte auch das BRK Impf- und Testzentren aus dem Boden. „Es gibt einen Kern an Aktiven, die immer zur Stelle sind und diesen Kern müssen wir breiter machen, damit wir zukunftsfähig bleiben. Das ist eine Daueraufgabe“, bekräftigt Schorer.
Die Herausforderungen der Nach-Pandemiezeit sind auch beim BRK spürbar. „Viele unserer Engagierten sind verständlicherweise müde von der andauernden Krise. Deshalb ist es auch bei uns an der Zeit, wieder anzupacken und in den `Normalmodus´ zurückzukehren.“ Dass Bayern seine Vereine und Verbände in Pandemie-Zeiten unterstützt hat, zeigt, dass das Ehrenamt in Bayern einen hohen Stellenwert hat.
Und die Politik kann freiwilliges Engagement natürlich auch entsprechend unterstützen und damit einen Beitrag leisten, es den Bürgerinnen und Bürgern einfacher machen, sich für die Gesellschaft einzubringen. Weniger Bürokratie und die Helferfreistellung sind hier wichtig. Bereits 2013 hat Bayern die sogenannte Helferfreistellung auf den Weg gebracht. Seither haben die ehrenamtlichen Einsatzkräfte im Rettungsdienst einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit sowie einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber. Außerdem wird seit 2018 privaten Arbeitgebern, die ehrenamtliche Helfer freiwillig für bestimmte Fortbildungen freistellen, auch der fortgezahlte Lohn erstattet.
Ohne die Freiwilligen geht nix. Und die Frage nach dem Nachwuchs treibt viele Vereine und Verbände um. „Unser Bayerisches Jugendrotkreuz startet tolle Mitmach-Aktionen und Wettbewerbe, veranstaltet spannende Online-Talks und hat tolle Bildungsangebote im Repertoire, um Kinder und junge Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern. Die Jugendlichen in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen und sie zum Beispiel auch auf Social Media zu erreichen, spielt eine ganz große Rolle.“
Eine Novellierung des Katastrophenschutzes – das möchte Angelika Schorer in den kommenden Monaten erreichen. „Wir müssen aus den Katastrophen der Vergangenheit lernen und gemeinsam mit allen Hilfsorganisationen Notfallpläne erstellen“, so Schorer. Im Bayerischen Zentrum für besondere Einsatzlagen in Windischeschenbach zum Beispiel kann man solche gemeinsamen Einsätze trainieren, ebenso im Bergwachtzentrum Bad Tölz. „Trainings- und Simulationszentren dieser Art sind unersetzlich, wenn wir auf besondere Gefahrensituationen wie Naturkatastrophen oder Amokläufe vorbereitet sein wollen. Nur so gehen die Abläufe im Ernstfall Hand in Hand.“ Die Pandemie war ein erster Praxistest für eine solche Zusammenarbeit. Mit der Einrichtung einer Führungsgruppe Katastrophenschutz in jedem Landratsamt in Bayern konnten Maßnahmen gemeinsam koordiniert werden. „Der Schlüssel ist die schnelle, gemeinsame und zielgerichtete Kommunikation im Notfall“, so Schorer. „Denn letztlich geht es darum, dass die Menschen im Notfall schnell Hilfe bekommen. Das ist es auch, was die Helfer antreibt – ob hauptamtlich oder ehrenamtlich – und was ich auch immer höre als Motivation: Wir machen das für die Menschen.“
Auch die Politik hat beim Thema Katastrophenschutz nachgelegt und beginnend mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 das Sonderinvestitionsprogramm „Katastrophenschutz Bayern 2030“ aufgestellt, in dessen Rahmen mehr als 71 Millionen Euro für den Katastrophenschutz bereitgestellt wurden. In den kommenden Jahren sollen die Leistungen des Freistaats Bayern für den Katastrophenschutz noch weiter ausgebaut werden.
Pflege ist ein weiteres Thema, das Angelika Schorer auf den Nägeln brennt: Das Bayerische Rote Kreuz ist Träger von 125 stationären Einrichtungen und 64 Tagespflegeeinrichtungen der Altenpflege in Bayern, die Sozialservice-Gesellschaft des BRK als 100%ige Tochtergesellschaft betreibt davon an 26 Standorten in Bayern Einrichtungen der stationären Altenpflege. Ob Corona-Prämie, Tarifbezahlung, Neugewinnung von Pflegekräften, Fort- und Weiterbildung - Angelika Schorer hat diese Themen immer im Blick. In den Einrichtungen des BRK achtet man seit Jahren auf tarifliche Bezahlung. Auch bietet das BRK neben der Ausbildung zu Krankenschwestern und -pflegern auch die zur Krankenpflegehelferin und -helfer an.
Natürlich gebe es immense Herausforderungen und einen eklatanten Fachkräftemangel im Pflegebereich. Trotzdem oder gerade deshalb ist es Angelika Schorer wichtig, die positiven Aspekte des Pflegeberufs herauszustellen: „Der Pflegeberuf schafft einen Mehrwert, nicht nur für die Gesellschaft, sondern vor allem für diejenigen, die den Beruf ausüben. An die Strukturen müssen wir ran, damit die Freude an diesem Beruf wieder die Oberhand bekommt.“ Aktuell arbeitet das BRK an Vorschlägen, wie die Pflege auf sichere Beine gestellt werden kann.
Wenn unsere Leser jetzt Lust bekommen, sich beim BRK zu engagieren – wie finden die das passende Ehrenamt beim BRK? „Über die 73 Kreisverbände und die Servicestellen Ehrenamt findet man schnell und einfach Ansprechpartner vor Ort“, empfiehlt Schorer, „Die Möglichkeiten, sich zu engagieren, sind so vielfältig, da findet jede und jeder das Passende.“
Was sie selbst aus ihren zahlreichen Ehrenämtern mitgenommen hat, bringt Schorer so auf den Punkt: „Ich denke nicht, was bringt es mir, sondern was kann ich für andere tun. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Das Ehrenamt bereichert sehr im Denken, im Tun, in der persönlichen Weiterentwicklung. Interessante Menschen kennenzulernen und das gemeinsame Gestalten - das prägt fürs Leben.“