Spagat zwischen Nachwuchsleistungs- und Breitensport
Im Jahr 2021 konnte der Skiverband Bayerwald, mit 60.000 Mitgliedern in über 200 Vereinen der größte regionale Skiverband in Deutschland, auf ein 100-jähriges Verbandsleben zurück blicken. Pandemiebedingt konnten die gebührenden Feierlichkeiten mit Vorstellung einer Chronik zu 100 Jahren Skiverband Bayerwald nicht durchgeführt werden und sind momentan für den 24. September 2022 geplant. Aus der Taufe gehoben wurde der Skiverband Bayerwald am 13. Februar 1921 bei der Gründungsversammlung in Zwiesel, bei der im Beisein von Vertretern von insgesamt acht Vereinen der Skipionier Martin Primbs zum 1. Vorsitzenden des Bayerische Wald Ski Verbandes (BWSV), wie der Verband damals hieß, gewählt wurde. Die Ziele des Verbandes waren damals die Förderung des Wintersports im Bayerischen Wald, die Vertretung der Vereinsinteressen, die Förderung des Wettkampfsports, die Durchführung von Gaumeisterschaften sowie den Anschluss an die Leistungen der oberbayerischen Sportler zu finden. Bis heute durchlief der Skiverband nicht nur drei Namensänderung zu Skigau Bayerwald ab 1945/1946 und zu Skiverband Bayerwald ab 2008, sondern auch eine abwechslungsreiche und bewegte Geschichte mit insgesamt 13 verschiedenen Präsidenten und Vorsitzenden. Die Aufgaben des Skiverbandes blieben dabei über 100 Jahre im Wesentlichen fast unverändert, bewegten sich jedoch immer im Spannungsfeld zwischen der Förderung des Skileistungssports sowie der generellen Gewinnung von Nachwuchs für den Skisport.
Über viele Jahrzehnte war die Arbeit des Skiverbandes vor allem dadurch geprägt, hoffnungsvolle Nachwuchstalente, die den jeweiligen Wintersport in den Vereinen vor Ort kennen und beherrschen lernten, weiter zu fördern und an die internationale Weltspitze heranzuführen. Dies gelang über die gesamte Geschichte des Skiverbandes in allen Disziplinen und gipfelte in Olympiasiegen und Weltmeistertitel für Athleten aus dem Verbandsgebiet. So konnte sich Sonja Sperl aus Bayerisch Eisenstein im Rahmen der bei den Olympischen Winterspielen in Squaw Valley im Jahr 1960 ausgetragenen Weltmeisterschaft die Silbermedaille in der Alpinen Kombination sichern. Unvergessen bleibt auch die Bronzemedaille von Walter Demel vom SC Zwiesel bei den Langlauf-Weltmeisterschaften im Jahr 1966 in Oslo, als er die Phalanx der als unbesiegbar geltenden Skandinavier brach. Die größten Erfolge konnten im Skisprung erzielt werden, bei dem es mit Michael Uhrmann 2002 in Salt Lake City und Severin Freund 2014 in Sotschi gleich zwei Olympiasieger in der Mannschaft gibt. Daneben gäbe es eine Vielzahl von Athleten in allen Disziplinen zu erwähnen, die es zu überregionalen Erfolgen gebracht haben. Im Langlauf seien hier noch Sepp Schneider und jüngst Josef Wenzl zu nennen, die an Olympischen Spielen teilnahmen, im Biathlon Franz Bernreiter und Franz Wudy, die es zu Silbermedaillen in der Mannschaft bei Weltmeisterschaften brachten oder Klaus Gattermann, Alois Vogl und Monika Bergmann, die allesamt beachtliche internationale Erfolg im Alpinen Skirennsport erzielen konnten. Daneben sind Athleten aus dem Skiverband Bayerwald in den neuen Sportarten wie Freeski oder Skicross auf dem Vormarsch. In der Chronik, die zum 100-jährigen Jubiläum vorgestellt wird, ist eine detaillierte Übersicht enthalten über alle Athleten aus dem Verbandsgebiet, die in ihren Disziplinen Erfolge bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften oder im jeweiligen Weltcup erzielt haben. Die Liste erstreckt sich über viele Seiten, umfasst alle Disziplinen, reicht bis in die heutige Zeit und ist im Prinzip das Zeugnis für die gute Arbeit des Skiverbandes in den letzten 100 Jahren.
Neben der Förderung des Skileistungssports fielen dem Skiverband in seiner Geschichte aber auch viele weitere Aufgaben zu. Neben dem Aufstellen der Verbandskader und der Ausstattung mit Trainern übernahm der Skiverband vielfach auch die Ausrichtung von Wettbewerben sowie von Ausbildungs- und Lehrveranstaltungen. Dabei verfolgte der Skiverband seit jeher die Devise „Die Athleten von heute sind die Trainer von morgen.“ Eine wichtige Aufgabe bestand auch in der Schaffung und Instandhaltung von entsprechenden Sportstätten ohne die weder ein Breiten- noch ein Leistungssport möglich gewesen wären. Dank der Unterstützung von vielen Partner, angefangen von Bund über Land bis hin zum Landkreis und den Kommunen vor Ort, aber auch Dank des steten Einsatzes des Skiverbandes, stehen viele Stützpunkte in allen Disziplinen zur Verfügung, von denen vor allem das alpine Landesleistungszentrum am Großen Arber, das Hohenzollern Skistadion am Großen Arbersee sowie die Skisprunganlage in Rastbüchl zu nennen sind. Somit entspricht die Infrastruktur für Training und Wettkampf für den Nachwuchs dem internationalen Standard.
Auch wenn die generelle Nachwuchsgewinnung in den Vereinen sowie in den Schulen zu erfolgen hatte, so galt es auch in diesem Bereich seit jeher ein gewisses Engagement zu zeigen. Gerade in diesem Bereich der Nachwuchsgewinnung wird das Engagement des Skiverbandes in jüngster Zeit immer wichtiger, da durch strukturelle Entwicklungen sowie dem Schneemangel in Folge der Klimaerwärmung bei den Skipisten vor Ort, die Pionierarbeit der Vereine bei der Nachwuchsgewinnung oftmals kaum noch möglich ist. Hier sieht sich der Skiverband seiner aktuell größten Herausforderung ausgesetzt, generell wieder Kinder für den Wintersport zu begeistern. Ohne genügend Nachwuchs ist ein Nachwuchsleistungssport undenkbar, auch wenn der Skiverband ansonsten noch so gut und breit aufgestellt ist. Es gilt auch als Skiverband niederschwellige Angebot in allen Disziplinen anzubieten, um den Nachwuchs zunächst einmal für die jeweilige Sportart zu begeistern. Aus dem Pool der begeisterten Jung-Sportler können sich so später die Athleten für den Nachwuchsleistungssport herauskristallisieren.
Um aber auch weiterhin seiner ursprünglichen und wichtigsten Aufgabe, dem Heranführen von Athleten an die internationale Weltspitze gerecht werden zu können, waren auch hier Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig, um den modernen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. So gründete der Skiverband Bayerwald unter seinem aktuellen Präsidenten Max Gibis zur Wintersaison 2021/2022 die „Wintersportakademie Bayerwald“ (WAB), bei der in den drei Disziplinen Ski Alpin, Biathlon und Langlauf ein Angebot aus Schule, Unterkunft und Training aus einem Guss angeboten wird. In Zusammenarbeit mit den Partnerschulen des Wintersports (PZW-Schulen) in Zwiesel, mit Hilfe hauptamtlicher Trainer in allen drei Disziplinen sowie der Arberland-Akademie in Weißenstein kann ein ganzheitlicher Ansatz angeboten werden, bei dem schulische Ausbildung, Betreuung und Training bestmöglich unter einen Hut gebracht werden können. Sukzessive sollen auf diese Weise wieder neue Nachwuchsathleten entstehen, ohne dass schulische Ausbildung vernachlässigt wird und ohne, dass das bekannte Umfeld aus Familie, Freunden und Heimat verlassen werden muss.
Auch in Zukunft wird sich der Skiverband daran messen lassen müssen, ob weiterhin Athleten aus dem Verbandsgebiet den Sprung in die Weltspitze schaffen. Aber wie bisher stehen auch heute wieder hoffnungsvolle Nachwuchssportler in den Startlöchern, die zu großen Erfolgen bereits sind und somit die gute Arbeit des Skiverbandes einmal mehr bestätigen werden. Auch wenn der Spagat zwischen Nachwuchsleistungssport und Breitensport immer größer werden zu scheint, so sieht sich der Skiverband mit seinen neuen Ansätzen sowie einer fortwährenden Erneuerung gut für die Zukunft gerüstet. Die nächsten 100 Jahre des gemeinsamen und vereinten Engagement für den Skisport können kommen.