Was wäre Bayern nur ohne seine vielen Vereine? Doch wegen mangelndem Interesse an der Übernahme von Ämtern sowie Problemen bei der Mitgliedergewinnung breitet sich bei vielen Vereinen eine gewisse Existenzangst aus. Was tun dagegen? Der 1. FC Rieden hat seine Jugendarbeit ganz neu gedacht und wurde für seine Idee bereits mit dem Bayerischen Innovationspreis ausgezeichnet.
Die Vereinslandschaft in Bayern blüht: In über 90.000 eingetragenen Vereinen engagieren sich Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich, üben ihren Sport aus, gehen dem Hobby nach oder musizieren gemeinsam. Doch wer jetzt nur an Sport-, Musik- oder Trachtenvereine denkt – weit gefehlt: Es gibt den Verein gegen betrügerisches Einschenken, einen Verein nur für Linkshänder, einen Verein für Verehrer der Zahl Pi und auch den Verein, der sich um die Renaissance der Sense bemüht, um die Bienen zu schützen.
Vereine stehen vor großen Herausforderungen. Neben den besonderen Schwierigkeiten in der Corona-Pandemie sehen sie sich mit nachlassendem Engagement und Mitgliederschwund konfrontiert. Doch woran liegt das? Stimmt es wirklich, dass vor allem junge Menschen das Engagement aus Zeitgründen scheuen, um sich erst einmal anderen Dingen im Leben widmen zu können? So einfach lässt sich diese Frage nicht beantworten. Fakt ist, dass Vereine eine tragende Säule unserer Gesellschaft darstellen. Was es braucht, sind innovative Ansätze, die den Zusammenhalt der Generationen in Vereinen fördern und Vereine attraktiv für Kinder und Jugendliche machen.
Bereits 2016 ist der oberpfälzische 1. FC Rieden auf eine solche Idee gekommen und hat sie umgesetzt. Nach einer Beiratssitzung haben sich die Vorstände überlegt, wie man die Jugend und die jungen Erwachsenen mehr für das Ehrenamt begeistern und gleichzeitig Nachwuchs für die wichtigen Vorstandsposten gewinnen kann. „In so einer schnelllebigen Zeit zwischen Schule, Surfen, Chatten, Ausbildung und Arbeit und durch neue rechtliche Vorgaben wird es immer schwerer, Leute dafür zu begeistern. So ist die Idee entstanden, die Vorstandsposten zu spiegeln und der Juniorvorstand war geboren. Das heißt, es gab einen Kassier und zudem einen Junior-Kassier usw. Es fanden sich auch sofort Interessierte, die die Posten übernahmen“, erzählt Patricia Kemmeter. Sie ist 2. Juniorenvorständin und sieht bereits jetzt, wie positiv sich der Juniorvorstand auf die Jugendarbeit ausgewirkt hat: „Die Jugendlichen haben einen besseren Draht zur Vorstandschaft als vorher, und genauso umgekehrt. Durch unsere Veranstaltungen oder das Ferienprogramm haben sich schon mehr Kinder und Familien dafür interessiert, im Verein dabei zu sein.“
Die junge Generation ist Ansprechpartner und Bindeglied, aber auch wichtiges Organ innerhalb der Vereinsstruktur. Denn wichtig ist, dass es den Juniorvorstand nicht nur auf dem Papier gibt, sondern dass sich die jungen Mitglieder auch einbringen können und dürfen. „Wir haben die Möglichkeit zur Ableistung des Deutschen Sportabzeichens im Verein etabliert und verschiedene sportliche Angebote wie Jumping, Leichtathletik und auch das Angebot im Ferienprogramm ergänzt. Dabei sind wir auch selbst maßgeblich als Trainer beteiligt. Aktuell planen wir, unseren Spielplatz am Vereinsgelände zu einem naturnahen Lernort weiterzuentwickeln. Daran beteiligen wir die Kinder durch Fragebögen und möchten ihre Ideen mit einbringen.“ Wie gut die Idee eines Jugendvorstands funktioniert, zeigt sich laut Patricia Kemmeter auch am Interesse anderer Vereine und an den Auszeichnungen, die der 1. FC Rieden bereits erhalten hat: den Bayerischen Innovationspreis Ehrenamt und den Bayerischen Stern des Sports in Silber.
Wie sieht die Arbeit des Juniorvorstands konkret aus? Beim 1. FC Rieden wurden anfangs alle klassischen Ämter – also die des Vorstands, des Kassiers, des Schriftführers etc. – gespiegelt und der Juniorvorstand kann sogar auf ein eigenes Budget zugreifen. „Durch Wechsel innerhalb des Gesamtvorstands ist immer Bewegung und Innovation im Verein. So sind zum Beispiel drei Juniorvorstandsmitglieder inzwischen im „großen“ Vorstand. Das beweist einmal mehr das Vertrauen, das unser Verein gegenüber der Jugend und den jungen Mitgliedern hat.“ Auch bei der Erarbeitung einer neuen Satzung durfte der Juniorvorstand entscheidend mitwirken. Nun ist auch in der Satzung vermerkt, dass immer ein Juniorvorstand oder Vertreter bei Vorstands- und Beiratssitzungen dabei sein muss und Stimmrecht hat.
Doch nicht nur nachlassendes Interesse und fehlende Mitglieder bereiten den bayerischen Vereinen aktuell Sorgen. Auch die Corona-pandemie hat dazu geführt, dass das Vereinsleben schwer aufrechtzuerhalten war. Hier haben viele Vereine reagiert und beispielsweise Onlinekurse und Aktionen auf die Beine gestellt. So auch der 1. FC Rieden: „Ein besonderes Highlight war für uns die Bike-and-Run-Challenge im Mai 2021. Dabei konnten wir in Zusammenarbeit mit sieben Firmen aus der Region und durch die Beteiligung von Läufern und Radlern über unseren Landkreis hinaus mit gesportelten 6.000 Kilometern 4.000 Euro für unsere Jugendarbeit generieren. Einen Teil des Erlöses spendeten wir an die Grundschule Rieden, die wir auch unterstützen wollten, da so viele Kinder bei uns im Verein sind“, so die Juniorenvorständin. Auch für die Adventszeit hat sich der Juniorvorstand etwas Besonderes einfallen lassen, um das Gemeinschaftsgefühl in Zeiten von Corona lebendig zu halten. Herausgekommen ist ein Online-Adventskalender für Jung und Alt. „Das war eine tolle Gemeinschaftsarbeit, gerade weil da auch jeder zuhause war und sich gefreut hat, wenn er die bekannten Gesichter sieht. Uns war es immer wichtig, etwas zu schaffen, damit die Kinder sich trotzdem bewegen und einfach die Freude am Vereinsleben behalten.“
Ein Amt in einem Verein zu übernehmen, kostet Zeit und bedeutet großes Engagement, aber es bedeutet auch, Teil einer besonderen Gemeinschaft zu sein und Dinge anschieben und umsetzen zu können. Das weiß auch Patricia Kemmeter. „Ideen ausprobieren und wieder verändern macht mir richtig viel Spaß. Die Mitglieder, vor allem die Kleinsten, geben einem viel zurück. Es ist so schön zu sehen, was bei uns in den vergangenen sechs Jahren alles entstanden ist.“ Die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen war beim 1. FC Rieden der Schlüssel zum Erfolg. Er ist damit zu einem Vorbild für die Vereinslandschaft in Bayern geworden.
„Unsere Vereine in Bayern leisten Großartiges und waren vor allem von den pandemiebedingten Einschränkungen stark betroffen. Trotz der Verdoppelung der Vereinspauschale im Jahr 2020 von damals zwanzig auf vierzig Millionen Euro ist die finanzielle Situation für die Vereine weiter schwierig. Ein kraftvolles Signal war daher schon die Fortführung dieser Verdoppelung für das Jahr 2021. Auch die Förderung des Leistungs- sowie Breitensports ist uns wichtig, daher unterstützen wir mit 10 Millionen Euro jährlich den Bau von Sportstätten in weniger strukturstarken Regionen.
Wir haben uns außerdem dafür eingesetzt, dass die Übungsleiter- bzw. Ehrenamtspauschale erhöht wird. Zum 1. Januar 2021 wurden auf unsere Initiative hin die Übungsleiterpauschale auf 3.000 Euro und die Ehrenamtspauschale auf 840 Euro angehoben. Damit sind Aufwandsentschädigungen für bestimmte begünstigte Tätigkeiten in einem gemeinnützigen Verein bis zu diesen Beträgen steuer- und damit auch sozialversicherungsfrei.“