Interview
Erfolgreich in Stadt und Land

Josef Schmid: Welche gemeinsamen Herausforderungen haben große und kleine Städte und Gemeinden, wo gibt es Unterschiede? Darüber möchten wir gerne heute reden. Frau Frieß, was würden Sie denn als die aktuell größten Herausforderungen von Burgkunstadt bezeichnen?

Christine Frieß: Bei uns gibt es natürlich einige Herausforderungen, was mir das Priorisieren nicht leicht macht. Wie wir die Innenstädte lebendig und lebenswert erhalten und mit Leerständen umgehen, ist sicherlich ein großes Thema. Aber auch die Ortsumgehung und die Aufrechterhaltung unserer wohnortnahen ärztlichen Versorgung. Stromtrassen und Windräder, fehlende Arbeitskräfte sowie der Nah- und Fernverkehr sind ebenfalls Themen, die uns aus meiner Sicht in den kommenden Jahren viel beschäftigen werden.

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Christine Frieß, Bürgermeisterin der Stadt Burgkunstadt
@Christine Frieß

Schmid: Infrastruktur, Wohnen und Verkehr, das kommt sicherlich auch dir bekannt vor, oder Kristina?

Kristina Frank: Ganz klar. Trotz großer Zuzugsprognosen ist in und um München Anfang der 2000er Jahre leider nicht viel passiert. Dazu kam der Sanierungsstau, der mit der Zeit auch nicht weniger geworden ist. Das sind die Probleme, mit denen wir derzeit zu kämpfen haben. Ansonsten ist die allgemeine Infrastruktur eine große Herausforderung. Das fängt bei Verkehr und ÖPNV an und geht bis hin zu Sportflächen, Schulen und Grünflächen.

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Kristina Frank, OB-Kandidatin der CSU für München
@CSU-Fraktion

Schmid: Wohnungsbau ist in beiden Kommunen ein großes Thema. Die Stadt hat mit dem Zuzug zu kämpfen und die kleineren Städte mit der Landflucht. Kristina, egal ob Stadtmitte oder Randbezirk, gefühlt will jeder in die Großstadt. Was ist das Mittel gegen die Münchner Wohnungsproblematik?

Frank: Hier muss man sich vor allem die Frage stellen: Welche Flächen möchte und kann man nutzen? Und da heißt es Bauen mit Sinn, Verstand und Augenmaß und das geht meiner Meinung nach nur, wenn man in die Höhe denkt und nicht wie in den vergangenen Jahren nur in die Breite. Es gibt verschiedenste Areale, die sich sehr gut für Hochbauten eignen würden. Zudem muss man ran an die sogenannten B-Flächen und beispielsweise Parkplätze und Supermärkte überbauen.

Schmid: Wie ist das in den kleineren Städten? Was unternehmen Sie vor Ort, damit die Menschen bleiben und was würde Ihnen bei dieser schwierigen Aufgabe vielleicht auch helfen, Frau Frieß?

Frieß: Die Leerstände bereiten uns schon ein wenig Bauchschmerzen. Deswegen haben wir im Stadtrat ein Stadtumbaumanagement beauftragt, um die Innenstadtpotenziale aufzuzeigen und zu entwickeln. Wichtig ist uns, dass wir auch die jungen Menschen in Burgkunstadt halten – wir sehen uns als Familienstadt. Wir haben ein solar beheiztes Freibad, eine Rundumbetreuung der Kinder in Kita und Kindergärten und einen Jugendtreff. Vor rund vier Jahren konnten wir auch unsere 590 m² große Skateanlage eröffnen. Eine richtig tolle Sache für alle Skater, Skateboarder und BMX-Fahrer. Am Stadtrand haben wir aktuell zehn neue Bauplätze ausgewiesen, allerdings wollen wir der Natur so wenig Raum nehmen wie möglich und nur dann ausbauen, wenn auch die Nachfrage da ist.

Schmid: Wo Wohnungen gebaut werden, braucht es auch eine Verkehrsinfrastruktur. Wie ist da die Situation in Burgkunstadt? Kann man in einer kleineren Kommune auf das Auto verzichten?

Frieß: Momentan nicht. Es wurde zwar in den vergangenen Jahren bewusst am Ausbau des Nah- und Fernverkehrs gearbeitet, aber das Auto bleibt gerade aufgrund der vielen kleinen Ortschaften bei uns Verkehrsmittel Nummer eins. Dennoch ist es uns wichtig, auch an die zu denken, die keine Möglichkeit haben, mit dem Pkw zu fahren. Für unsere älteren Mitbürger bieten wir beispielsweise ein Seniorenshuttle an und auch der Bürgerbus, mit dem man ins Stadtgebiet und zum Einkaufen kommt, wird gerne angenommen.

Schmid: Ist denn im Umkehrschluss die Zukunft Münchens eine autofreie, wie es manche aktuell fordern?

Frank: Ich glaube, ein autofreies München ist – Stand heute – fernab jeder Realität. Wir haben allein in München 700.000 Autos und täglich etwa 390.000 Pendelbewegungen in die Stadt hinein. Daher werden wir in naher Zukunft auf das Auto nicht verzichten können, da auch das aktuelle ÖPNV-Netz das nicht auffangen könnte. Hier müssen wir an Angeboten arbeiten und nicht anfangen, Menschen vorzuschreiben, welche Verkehrsmittel sie nutzen sollen und welche nicht. Und da sind wir aus der Politik an der Reihe, denn wir müssen diese Angebote schaffen und ermöglichen.

Schmid: Was heißt das konkret?

Frank: Wir brauchen einen zuverlässigen, pünktlichen ÖPNV mit funktionierenden Klimaanlagen und mit W-LAN, aber auch preislich muss sich der ÖPNV künftig wieder rechnen. Daran wollen wir arbeiten.

Schmid: Zu einer vernünftigen Infrastruktur gehört mittlerweile ja auch eine schnelle und gute Breitbandversorgung. Hat Burgkunstadt da frühzeitig vorgesorgt?

Frieß: Ja, das war auch eines meiner Hauptanliegen bereits vor meinem Amtsantritt. Wenn wir hier sowohl Firmen ansiedeln als auch bestehende Unternehmen halten und das Leben für unsere Bürger attraktiv machen wollen, dann dürfen wir die Digitalisierung nicht verschlafen. Die Breitbandversorgung ist meiner Meinung nach ein unglaublich wichtiger Standortfaktor geworden. Und da bin ich froh, dass wir auch dank der Fördermittel des Freistaats eine flächendeckende Breitbandversorgung schaffen konnten.

Schmid: Gehen wir einmal weg von der Breitband- hin zur ärztlichen Versorgung. Das Thema beschäftigt uns auch hier im Landtag sehr. Wie ist die Situation bei Ihnen, Frau Frieß?

Frieß: Auch das ist ein wichtiger Standortfaktor, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Gerade was Fachärzte betrifft, muss man schon zum Teil weitere Wege auf sich nehmen und viel Zeit einplanen. Das wird auch in Zukunft schwierig werden, die wohnortnahe ärztliche Versorgung aufrechtzuerhalten. Vielleicht ist es auch für viele Ärzte attraktiver, sich in der Großstadt niederzulassen.

Frank: Das stimmt, aber auch hier muss man etwas differenzieren. Gerade in der Innenstadt findet man eigentlich alles, was man braucht und es ist fast schon ein Überangebot vorhanden. Wenn man aber in die Außenstadtbezirke schaut, in denen vielleicht viele ältere Menschen wohnen, dann haben wir hier ähnliche Probleme wie Sie, Frau Frieß. Auf der anderen Seite haben wir auch bei den Spezialisten irrsinnig lange Wartezeiten, zum Beispiel bei den Kinderärzten.

Schmid: Bei diesen Themen sind und bleiben wir im Landtag auch dran und haben schon viele Initiativen anstoßen können, wie beispielsweise die Landarztförderung, den Ausbau der akademischen Hebammenausbildung oder die Unterstützung der Kommunen bei der besseren ärztlichen Versorgung vor Ort. In der Großstadt sind das meist Probleme, die vor allem aufgrund des starken Zuzugs entstehen. Frau Frieß, Sie wären wohl um weitere Arbeitsplätze froh, oder? Was kann man da tun?

Frieß: Mit der Breitbandversorgung versuchen wir ja schon eine gute Grundvoraussetzung zu schaffen. Allerdings haben wir tatsächlich fast keine Anfragen neuer Firmen und müssen daher vor allem darauf schauen, bereits ansässige Unternehmen langfristig hier zu halten.

Frank: Und wir wären um etwas Entlastung Richtung Umland hier und da dankbar. Wobei man auch da unterscheiden muss. Natürlich können wir hier in der Landeshauptstadt nur in der Größenordnung planen, weil wir starke Firmen und auch DAX-Unternehmen haben, die hier ihre Gewerbesteuern zahlen. Auf der anderen Seite müssen wir aber in der Metropolregion mehr miteinander planen, damit sich nicht immer alles zentral in München lokalisiert. Da ist der Dialog mit den Umlandgemeinden ungemein wichtig.

Schmid: Stadt und Land, Hand in Hand also. Man merkt, es gibt viele gemeinsame Herausforderungen. Diese müssen zwar unterschiedlich angegangen werden, aber auch hier kommt es auf das „gemeinsam" an und das in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ich glaube, das ist die richtige Basis und ich wünsche Ihnen beziehungsweise euch beiden alles Gute, um immer das richtige Rezept parat zu haben, diese Herausforderungen anzugehen. Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag ist auf jeden Fall ein starker Partner, der sich für erfolgreiche und starke Kommunen einsetzt. Vielen Dank für das Gespräch!

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Josef Schmid war von 2014 bis 2018 Zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt München und leitete das Referat für Arbeit und Wirtschaft. Seit November 2018 ist er Abgeordneter der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Mit dem Erhalt des Direktmandats hat Schmid das Amt des Zweiten Bürgermeisters kraft Gesetzes verloren und blieb der Kommunalpolitik danach noch einige Monate als Stadtrat treu.
@Josef Schmid
Bildquelle Header: Prasit Rodphan, Stadt Burgkunstadt