Zu wenig Freizeitangebote? Kein Ausbildungsplatz in Sicht? Und der Bus in die nächste Stadt fährt viel zu selten? Sorgen wie diese müssen Jugendliche im Landkreis Kulmbach nicht länger für sich behalten. Im Projekt „Zukunftswerkstätten“ der Landkreisjugendarbeit und des Kreisjugendringes Kulmbach können sie sich aktiv in die Gemeinde einbringen, ihre Wünsche äußern und konkrete Vorschläge machen, was sich in ihrem Ort ändern soll. Das Projekt wurde sowohl im Wettbewerb „Familienfreundliches Oberfranken“ als auch mit dem Bayerischen Innovationspreis Ehrenamt ausgezeichnet.
Die Idee zu den Zukunftswerkstätten entstand 2013: „Wir wollten eine Möglichkeit finden, wie wir junge Leute an der Gestaltung ihrer Heimatgemeinde beteiligen können“, erklärt Jürgen Ziegler. „Mir war klar: Das geht nur mit einem Veranstaltungsformat, das lebendig ist und die jungen Leute ernst nimmt.“ Bereits die Auftaktveranstaltung in Stadtsteinach war ein voller Erfolg. Inzwischen hat Ziegler mit seinem Team 13 Zukunftswerkstätten in verschiedenen Gemeinden des Landkreises Kulmbach erfolgreich umgesetzt.
Manchmal kommen bis zu 500 Jugendliche
Das Konzept ist immer gleich: Die Gemeinden laden alle Jugendlichen der Gemeinde im Alter zwischen 12 und 18 Jahren zur Zukunftswerkstatt ein, die immer an einem Freitagabend von 18 bis 22 Uhr stattfindet, meistens in einer großen Turnhalle oder einem Gemeindesaal. Die Beteiligungsquoten können sich sehen lassen: „Meistens kommt mehr als die Hälfte der eingeladenen Jugendlichen, oft bis zu 500 Leute“, freut sich Ziegler. Vom Gymnasiasten bis zum Sonderschüler sei alles dabei und gerade diese bunte Mischung mache die Zukunftswerkstätten so interessant. In verschiedenen Workshops können die jungen Leute ihre Ideen und Wünsche zu Themen wie Infrastruktur und Freizeitangeboten äußern, für gute Stimmung sorgen Pizza und alkoholfreie Cocktails. Besonders beliebt ist die Rubrik „Wenn ich König meiner Gemeinde wäre...“, in der die Jugendlichen alles loswerden können, was sie stört oder was sie schon immer mal ändern wollten. Das Feedback sei durchweg positiv, so Ziegler, „weil die Jugendlichen einfach merken, dass ihre Meinung zählt und sie wirklich etwas bewegen können.“
Vorschläge von Ausbildungsmesse bis Open-Air-Kino
Ziegler ist immer wieder überrascht über die vielen guten Ideen und Anregungen der Jugendlichen: In einer Gemeinde wurde zum Beispiel mal kritisiert, dass es keinen Überblick über die freien Ausbildungs- und Praktikumsplätze im Ort gebe. „Daraufhin hat die Gemeinde gemeinsam mit einigen Jugendlichen eine Ausbildungsmesse im Ort organisiert, auf der die örtlichen Betriebe sich präsentieren konnten“, erzählt Ziegler. Oft gehe es aber auch um ganz banale Kritikpunkte wie fehlende Mülleimer oder schlechte Busanbindungen, die dann natürlich an die Zuständigen der jeweiligen Gemeinden weitergegeben werden.
Jugendliche werden motiviert, sich selbst einzubringen
Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt werden noch am selben Abend dem örtlichen Bürgermeister vorgestellt. „Manchmal kann der dann schon zu einzelnen Vorschlägen ganz spontan sagen: Klar, kriegen wir hin!“ Oft werden die jungen Leute auch selbst aktiv: Bei einer Zukunftswerkstatt kam zum Beispiel die Idee auf, ein Open-Air-Kino im Ort zu organisieren. „Das haben dann einige Jugendliche selbstständig mit Unterstützung der Gemeinde auf die Beine gestellt, es kamen über 400 Gäste und der Abend war ein voller Erfolg!“ Natürlich kämen zwischendurch auch unsinnige Vorschläge von den Jugendlichen, „zum Beispiel eine U-Bahn-Verbindung von Rugendorf ins 5 km entfernte Stadtsteinach“, sagt Ziegler schmunzelnd, aber insgesamt sei die Mehrzahl der Ideen und Vorschläge wirklich sinnvoll und konstruktiv.
Viel Aufwand, der sich auszahlt
Längst hat die Idee Zukunftswerkstätten sich auch außerhalb des Landkreises herumgesprochen. „Wir bekommen viele interessierte Nachfragen und werden eingeladen, unser Konzept vorzustellen“, so Ziegler. Was er dann immer wieder betont: Das Konzept funktioniert nur, wenn die Ergebnisse ernst genommen werden. „Die Jugendlichen müssen merken, dass sich wirklich etwas tut. Wenn die Gemeinden nach der Veranstaltung nichts ändern, sind die jungen Leute natürlich doppelt genervt und frustriert“, so Ziegler. Oft sei aber schon mit wenig Aufwand viel zu erreichen: In einer Gemeinde wünschten sich die Jugendlichen zum Beispiel einen Kletterpark. „So was lässt sich natürlich nicht einfach so umsetzen“, sagt Ziegler, aber ein Kompromiss kam genauso gut an: „Die Gemeinde hat einen Bus gestellt, mit dem die Jugendlichen zum nächstgelegenen Kletterpark fahren konnten – und alle waren zufrieden.“ Natürlich steckt viel Arbeit in den Zukunftswerkstätten: „Oft sind wir mit 15 Mitarbeitern vor Ort, darunter viele Ehrenamtliche. Dazu kommt der Auf- und Abbau und die intensive Vor- und Nachbereitung.“ Aber Ziegler appelliert an alle Gemeinden, sich davon nicht abschrecken zu lassen: „Die Zukunftswerkstätten sorgen dafür, dass Jugendliche sich in ihren Gemeinden wohl und ernst genommen fühlen und gerne dort wohnen bleiben – das ist der beste Lohn für all den Aufwand!“