Wenn ein Patient vom Krankenhaus in ein Pflegeheim oder nachhause entlassen wird, kommt meist die Zettelwirtschaft für den Pflegedienst. Doch mit Papierakten und unsauberen Handschriften ist bald Schluss. Die im Pflegeüberleitungsbericht enthaltenen Informationen sollen vollständiger und vor allem digitaler werden – und den Pflegenden künftig die Arbeit erleichtern. Dazu entwickelt das Universitätsklinikum Augsburg gemeinsam mit der Hochschule Augsburg neue Schnittstellen zu den Dokumentationssystemen ihrer Praxispartner in Schwaben.
Von der Zettelwirtschaft zum strukturierten Datentransfer
Die digitale Übertragung der wichtigsten Pflegedaten (Pflegeüberleitungsbericht) ist aber nur eine von fünf Initiativen des Verbundprojekts CARE REGIO. Ganz Schwaben soll eine bayerische Leitregion für Pflege Digital, also für eine moderne Pflege von morgen im Freistaat werden. Neben der Universität Augsburg und dem dortigen Universitätsklinikum sind auch die Hochschulen Augsburg, Neu-Ulm und Kempten beteiligt. Kempten leitet das Projekt, das sich im Rahmen des Netzwerks Pflege Digital Bayern entwickelt hat und vom Bayerischen Gesundheitsministerium gefördert wird. Über sechs Millionen Euro sind derzeit dafür veranschlagt.
„Ziel des Verbundprojekts ist es, nachhaltige Konzepte für eine digital unterstützte Pflege zu entwickeln. Pflegekräfte und pflegende Angehörige sollen dabei spürbar entlastet sowie Pflegebedürftige in ihrer Selbständigkeit unterstützt werden“, sagt die Projektleiterin Prof. Dr. Petra Friedrich von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten. Dazu werden derzeit vom schwäbischen Hochschuldreieck bestehende Versorgungsstrukturen analysiert und Möglichkeiten technikgestützter Pflege gesammelt und ausgewertet.
Fünf Projekte aus Schwaben für ganz Bayern
„Wie können wir Pflegebedürftige und Pflegekräfte mit Hilfe von Digitalisierung und Technik, durch Assistenzsysteme, Gesundheits-Apps und angewandter Informatik bestmöglich unterstützen? Das ist die Kernfrage. Das Universitätsklinikum Augsburg sichert uns den Zugang zur Praxis“, sagt Stefanie Schmid, stellvertretende Projektleiterin, über das Projekt. In der ersten Phase wurde bereits ein entsprechendes Transferkonzept erarbeitet. Neben dem digitalen Pflegeüberleitungsbericht gibt es vier weitere Teilprojekte, die zusammen eine Einheit bilden:
- Die Hochschule Kempten arbeitet an der Verbesserung der individuellen und bedarfsbezogenen Versorgung, von sturzgefährdeten Personen durch den Einsatz assistiver Systeme. Dazu sollen verschiedene Assistenz- und Reha-Systeme, die über eine Plattform kombiniert werden, bei den Betroffenen zum Einsatz kommen. Die mit Hilfe der Technik gewonnene Sicherheit kann dazu beitragen, älteren Menschen die Angst vor dem Stürzen zu nehmen. Pflegekräfte und Ärzte könnten künftig auch abrufen, wie mit einem Reha-System für das Muskeltraining geübt wird und können für das weitere Training wertvolle Ratschläge geben. Die insgesamt gewonnene Mobilität der Patienten wirkt sich wiederum auf andere medizinisch-pflegerische Bereiche positiv aus. Die Plattform mit den assistiven Systemen soll ambulant und stationär, in unterschiedlichen Institutionen, zum Einsatz kommen.
- Die Uni Augsburg wird strukturiert und anonymisiert Pflegedaten sammeln mit dem Ziel, diese der Pflegeforschung in Deutschland zur Verfügung stellen. Anhand dieser Daten können Pflegeprozesse systematisch analysiert und optimiert werden.
- Anhand der Projektergebnisse soll zudem ein Pflege-Wiki entstehen, das zur Weiterbildung aller Pflegenden dient. Dazu zählen unter anderem Pflegefachkräfte, Pflegeschüler sowie pflegende Angehörige. Das Pflege-Wiki wird nach Projektende für alle uneingeschränkt zugänglich sein. An diesem Teilprojekt arbeiten die Hochschule Neu-Ulm und das Universitätsklinikum Augsburg.
- Die Hochschule Neu-Ulm wird das gesamte Projekt CARE REGIO ethisch, sozial und rechtlich begleiten und evaluieren.
In der zweiten Projektphase werden die Projekte nun in den nächsten vier Jahren umgesetzt und später bestenfalls bayernweit ausgerollt. „Ich freue mich darauf, dass die Praxisphase bald starten kann – die Konzepte sind gerade mit Blick auf den demographischen Wandel wichtig, um die zukünftigen Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich zu meistern“, sagt der CSU-Fraktionsvorsitzende und Kemptener Abgeordnete Thomas Kreuzer. „Es geht uns dabei darum, das Personal durch den Einsatz technisch-digitaler Systeme zu entlasten und die Pflege im Sinne der Patienten zu verbessern. Unter anderem bleibt dann durch die Digitalisierung im Pflegealltag wieder mehr Zeit für das menschliche Miteinander. Mit CARE REGIO und seinen innovativen Ansätzen können wir den Wandel zu einer Gesellschaft des selbstbestimmten, längeren Lebens vorantreiben.“