Mehrgenerationenhaus in Haßfurt
Miteinander und füreinander
Lesezeit: 8 Minuten

Im Mehrgenerationenhaus im unterfränkischen Haßfurt finden Jung und Alt, Arm und Reich sowie Menschen verschiedenster Nationalitäten zusammen. Es wird gemeinsam getanzt, gestrickt, gekocht und gelacht. Ein Besuch in einer Einrichtung, die für viele Menschen in der Region ein zweites Zuhause geworden ist. 

„Was könnte das sein, eine Giggerliese?“ Ingrid, die ursprünglich aus der Lausitz stammt, schaut in ratlose Gesichter. „Eine Frau, die recht albern lacht“, löst die Rentnerin auf und trägt weiter Redewendungen auf Sächsisch vor. Um Heiteres und Besinnliches geht es an diesem Montagmorgen im „Offenen Treff“ des Haßfurter Mehrgenerationenhauses (MGH). Rund 20 Personen verschiedenen Alters sitzen bei Cappuccino und Kuchen um einen großen Tisch. Es wird gestrickt und geplaudert, die Sonne scheint durch die großen Fenster. Draußen beginnt rund um den Marktplatz der malerischen Haßfurter Altstadt ein sonniger Frühlingstag. 

„Die Menschen brauchen hier keinen Termin, sie können einfach zusammenkommen“, erklärt Gudrun Greger, die Leiterin der Einrichtung. Im Bistro, wo der „Offene Treff“ stattfindet, gibt es eine Krabbelecke und einen Bücherschrank, auch flexible Arbeitsplätze mit W-LAN können angemietet werden. Manche, die ins Mehrgenerationenhaus unter der Trägerschaft des Bayerischen Roten Kreuzes kommen, brauchen Unterstützung bei der Pflegeeinstufung oder wissen nicht, wie sie sich das Deutschlandticket kaufen sollen. „Wir sind Fachkräfte in allen Bereichen“, sagt Gudrun Greger. Falls ein Anliegen ihre Kompetenzen und die des Teams übersteige, leiten sie diese an andere Fachstellen weiter, etwa an das Jugendamt. Das Mehrgenerationenhaus arbeitet intensiv mit weiteren Behörden und Anlaufstellen zusammen. „Man hat hier eine Vertrauensbasis.“

Eine ältere Dame trägt Gedichte an einem Tisch mit mehreren Personen vor
Ein entspannter Montagmorgen im "Offenen Treff". Ingrid aus der Lausitz trägt Mundart aus ihrer Heimat vor.
Foto: CSU-Fraktion

Während Silvia Gedichte aus der Pfalz vorträgt, finden sich im ersten Stock die Ein- bis Dreijährigen im Krabbeltreff zusammen. Die Kleinen beschäftigen sich heute mit Tamburin, Rassel und Trommel und ihre Mamas haben Zeit, sich auszutauschen – und zwar ganz ohne Termin oder Voranmeldung. „Einsamkeit ist nicht nur ein Thema bei älteren Menschen, sondern auch bei Müttern“, erzählt Elternbegleiterin Julia Sterlings. „Wir haben hier viele Familien, die vor Kurzem erst zugezogen sind. Da die Väter häufig den ganzen Tag beruflich unterwegs sind, helfen wir den Müttern, ein Netzwerk aufzubauen.“ Das MGH unterstützt hier etwa durch die Vermittlung von Familienpatenschaften. 

Eine Frau und ein junger Mann sitzen an einem Tisch und üben gemeinsam mit einem Arbeitsblatt die Zahlen
Abbou von der Elfenbeinküste kommt regelmäßig ins Mehrgenerationenhaus. Frau Kunert hilft ihm heute dabei, die Zahlen auf Deutsch zu lernen.
Foto: CSU-Fraktion

In Bayern gibt es 88 Mehrgenerationenhäuser. Der Bund fördert jedes Haus jährlich mit bis zu 40.000 Euro, dazu kommt eine kommunale Kofinanzierung in Höhe von 10.000 Euro. Das bayerische Sozialministerium unterstützt besonders vom demografischen Wandel betroffene und finanzschwache Kommunen bei dieser Kofinanzierung mit 5.000 Euro jährlich. Das Haßfurter Mehrgenerationenhaus nimmt zusätzlich am Sonderprogramm Integration teil, neben elf weiteren Häusern in Bayern. In Haßfurt gibt es deshalb etwa das „Sprachcafé“, das wohl beliebteste der rund 70 Angebote. Neulich wurde dort gekocht wie in Uganda, gesungen wie in Kuba und getanzt sowieso. „Die Menschen fühlen sich respektiert, weil sie sich auch einbringen können“, erklärt Jennifer Nüsslein, die die Aktivität leitet. „Wir tanzen zusammen und es ist egal, welche Hautfarbe man hat.“

Dass die Menschen im MGH Hilfe bekommen, sich aber auch selbst und ihre Talente einbringen können, scheint ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg der Einrichtung zu sein. „Hier fällt niemand auf“, erzählt Gudrun Greger. Egal, ob man reich oder arm sei, alt oder jung. Die Einrichtung profitiere zu großen Teilen auch vom Engagement der 150 Ehrenamtlichen, doch auch Spenden seien wichtig. „Wir brauchen das Miteinander in der Gesellschaft, das kann nicht nur der Sozialstaat leisten.“ Einen wichtigen Teil im Mehrgenerationenhaus machen auch die Patenschaften aus. So wie etwa zwischen Frau Kunert und Abbou, der von der Elfenbeinküste stammt. Weil er keinen Platz in einem Sprachkurs bekommen hat, bringt ihm die ehemalige Ingenieurin Deutsch bei. Heute üben sie die Zahlen. Die Patenschaften zu unterstützen, zu begleiten, regelmäßige Supervision – auch das gehört zu den Aufgaben des Haßfurter MGH-Teams. 

„Man bekommt auch fünfmal etwas erklärt“ 

Der Krabbeltreff hat sich mittlerweile aufgelöst. Im ersten Stock in einem weiteren Raum sitzen Günther Bald (80) und Bufdi Noah Wagenhäuser gemeinsam vor einem Laptop. Wie man auf dem Handy WhatsApp-Nachrichten verschickt und E-Mails schreibt, weiß der pensionierte Ingenieur schon. Heute üben sie, wie man in Word Tabellen einfügt. In Kürze wird Noah für seinen Schüler eine Prüfung vorbereiten. „Ich hoffe, er ist nicht zu streng“, lacht Günther Bald, der zweimal die Woche Unterstützung in Sachen Computer & Co. bekommt. 

 

Ein jüngerer und ein älterer Mann sitzen vor einem Laptop
WhatsApp, Word & Co.: Bufdi Noah gibt Günther Bald (80) Nachhilfe.
Foto: CSU-Fraktion

65 Stunden in der Woche hat das Mehrgenerationenhaus in Haßfurt geöffnet. Für die Menschen in Haßfurt und weit darüber hinaus ist es Ort der Begegnung, ein Ort, wo immer jemand zuhört und Hilfestellung gibt und man vielleicht auch fünfmal etwas erklärt bekommt, bis man es verstanden hat. Aber auch ein Ort, an dem sich Freundschaften fürs Leben bilden – und sich so manches Gesellschaftsbild ändert: „Wenn Einheimische sehen, dass Zugewanderte auch Talente haben und sich einbringen und integrieren wollen, bauen sie nach und nach ihre Vorurteile ab“, hat Jennifer Nüsslein im „Sprachcafé“ beobachtet. Das Mehrgenerationenhaus leiste einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden in der Stadt, erklärt auch Gudrun Greger. „Einen Rechtsruck gibt es hier nicht. Miteinander und füreinander, das ist für uns gelebte Demokratie.“

Drei Damen vom Team stehen vor dem Mehrgenerationenhaus in Haßfurt
Julia Sterlings, Leiterin Gudrun Greger und Jennifer Nüsslein (von links), drei der vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mehrgenerationenhaus Haßfurt.
Foto: CSU-Fraktion
Bildquelle Header: Foto: CSU-Fraktion