Eine ältere Frau hält ein Baby im Arm
Unterstützung für Familien
„Hallo, Frau lieb!“
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Das erste Kennenlernen ist immer etwas Besonderes. Meist merken die Familien und die Ehrenamtlichen schnell, ob es „matcht“ oder nicht. Wie reagieren die Kinder, entsteht gleich eine vertraute Situation oder merkt man, dass man vielleicht doch nicht ganz auf einer Wellenlänge ist? Wenn die Kinder die Ehrenamtlichen dann mit „Hallo, Frau lieb!“ gleich an der Tür begrüßen, ist klar: Das passt. Ein Moment, der wellcome wunderbar einfängt: Es geht um Nähe, um Zuwendung, und um die unschätzbare Unterstützung für Familien in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes.

Ein kleines Dorf für jede Familie

„Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen“, zitiert Sina Scheiblhofer, die Landeskoordinatorin für wellcome in Bayern, ein bekanntes Sprichwort. Dieses „Dorf“ wird heute immer seltener: Familien leben oft weit voneinander entfernt, Netzwerke brechen weg und viele Mütter fühlen sich nach der Geburt eines Kindes isoliert. Hier setzt wellcome an: Eine Art moderne Nachbarschaftshilfe, bei der Ehrenamtliche jungen Familien für einige Stunden in der Woche zur Seite stehen.

„Unsere wellcome-Engel schenken Zeit, sie entlasten und sind da“, erklärt Scheiblhofer. Es geht nicht etwa nur um Babysitting oder Hausarbeit – sondern um geschenkte Zeit und Nähe, die spürbar Entlastung bringt. Bis zu vier Monate, manchmal auch bis zum ersten Geburtstag des Kindes, begleiten die Ehrenamtlichen die Familien. Die Nachfrage ist groß: 2023 wurden in Bayern 537 Familien betreut – und hinter jedem dieser Einsätze steckt eine persönliche Geschichte.

Foto von Sina Scheiblhofer, Referentin für wellcome Bayern
Sina Scheiblhofer, Referentin für wellcome in Bayern
@wellcome/ Erik Hartung 2024

Die Menschen hinter wellcome

Gaby Scheunert ist eine dieser Ehrenamtlichen, eine von vielen wellcome-Engeln. Seit 2010 hat sie bereits 17 Familien begleitet, oft als eine Art Oma-Ersatz. „Manche Kinder nennen mich Tantchen“, erzählt sie schmunzelnd. Für sie begann alles mit einem Zeitungsartikel, der ihr Interesse weckte. Eine besondere fachliche Qualifikation ist für diese Aufgabe nicht notwendig. Entscheidend für ein Ehrenamt bei wellcome ist die persönliche Kompetenz. Wichtige Tugenden sind Verschwiegenheit, Zuverlässigkeit, Gelassenheit und natürlich ein liebevoller und sicherer Umgang mit Kindern. 

Gaby Scheunerts eigene Töchter leben inzwischen im Ausland, und nach der Reduzierung ihrer Arbeitszeit wollte sie etwas Sinnvolles tun. Viele Geschichten und Erlebnisse sind in dieser Zeit zusammengekommen. Sie erinnert sich zum Beispiel an eine Mutter, die sich während ihres Besuchs das erste Mal seit Wochen in Ruhe duschen konnte: „Sie hat mir danach ganz stolz erzählt: Ich hab mich sogar eingecremt.“ Solche kleinen Momente machen einen großen Unterschied. Doch Gaby Scheunert weiß auch, wie groß die Belastung für viele Eltern ist: Die Rückkehr in den Beruf erfolgt heute schneller, Kinder sind in der Krippe häufiger krank und die Arbeit im Haushalt bleibt oft ungesehen.

Kleine Momente, große Wirkung

„Viele Mütter erzählen mir, wie erleichtert sie sind, wenn sie einmal tief durchatmen können. Schon beim Betreten der Wohnung merken die Engel, wie die Anspannung bei den Eltern gleich weniger wird“, sagt Sina Scheiblhofer. „Eine Mutter meinte sogar: ‚Ich konnte heute zum ersten Mal seit Wochen in Ruhe einen Kaffee trinken.‘“ Ehrenamtliche wie Gaby Scheunert erleben, wie viel solche Besuche bewirken können: „Manchmal legt sich die Mutter einfach nur schlafen, weil sie keine Ruhe findet. Oder sie sagt mir ganz glücklich: ‚Ich habe heute endlich in Ruhe die Wäsche gemacht.‘“ Aber es sind nicht nur die Mütter, die profitieren. „Man bekommt von den Kindern und den Eltern unglaublich viel zurück“, erzählt Gaby Scheunert. „Ich habe sogar mal Zwillinge betreut – das war eine Herausforderung, aber auch etwas ganz Besonderes.“ Mit vielen Familien und auch mit den Kindern ist sie noch in Kontakt und freut sich über Bilder, die sie per WhatsApp bekommt oder eine Einladung zum Kaffee. 

Ein Netzwerk, das verbindet

Das Team von wellcome achtet darauf, dass Ehrenamtliche und Familien gut zueinander passen. Nach einer ausführlichen Bedarfserhebung der Familie findet ein erstes Treffen statt – oft ein berührender Moment, der der Beginn einer besonderen Beziehung ist. „Es ist beeindruckend, wie schnell die Mütter Vertrauen fassen und so schön zu sehen, wie aus anfangs Fremden ein kleiner Teil der Familie wird“, berichtet Gaby Scheunert.

Auch die Zahlen sprechen für sich: „Jeder Euro, den man in Präventionsprojekte wie wellcome investiert, zahlt sich sechsfacht aus“, betont Scheiblhofer. Umso wichtiger, dass dieses Netzwerk und die Unterstützung durch Spenden sowie öffentlichen Förderungen weiterhin ermöglicht wird. Auch eine anonyme Zufriedenheitsumfrage unter den Familien kam im vergangenen Jahr zu einem ganz klaren Ergebnis: 100 Prozent würden wellcome weiterempfehlen.

Mehr als nur Hilfe – ein Gewinn für alle

Wellcome ist nicht nur eine Unterstützung für Familien – es schenkt auch den Ehrenamtlichen viel. „Ich bekomme so viel zurück“, sagt Gaby Scheunert. „Es ist so schön zu sehen, wie die Kinder wachsen und sich entwickeln.“

Doch es braucht mehr helfende Hände, betont Scheiblhofer: „Voraussetzung ist ein Herz für Kinder, etwas Zeit, Offenheit und Toleranz.“ Und vielleicht auch den Mut, wie Gaby Scheunert ihn hatte, einfach anzufangen – und irgendwann an der Haustür zu hören: „Hallo, Frau lieb!“

Möchten Sie selbst Teil dieses besonderen Netzwerks werden oder eine Familie in Ihrer Nähe unterstützen? Mehr Informationen finden Sie auf wellcome-online.de.

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