Bild von Prof. Dr. Dahm
Jung und Alt im Arbeitsleben
„Es gibt auch 62-Jährige, die remote arbeiten wollen“
Lesezeit: 5 Minuten

Treffen Menschen unterschiedlicher Generationen beim Arbeiten aufeinander, sind Konflikte oft vorprogrammiert. Doch wie kann ein Team gut funktionieren, in dem Jung und Alt ganz anders ticken? Was müssen Führungskräfte tun, damit alle voneinander lernen können? Zunächst müssen beide Seiten Vorurteile abbauen, erklärt Organisationsentwicklungsexperte Prof. Dr. Markus Dahm im Interview mit der HERZKAMMER. 

HK: Wie können Menschen motiviert werden, miteinander zu arbeiten, die nicht zusammen in die Kantine gehen würden?

Menschen unterschiedlicher Generationen, die zusammenarbeiten, müssen ein Verständnis für unterschiedliche Denkweisen, Präferenzen und Kommunikationsstile entwickeln. Gerade haben wir vier Generationen im Arbeitsmarkt: Die Baby-Boomer und die Generationen X, Y und Z. Hier sind die Führungskräfte aufgefordert, Wertschätzung für die Erfahrungen aller Teammitglieder zu schaffen, Brücken zu bauen und so den Austausch von Wissen zu fördern. 

Die Generationen unterscheiden sich sehr stark: Die Boomer-Generation greift etwa gerne zum Telefon, um Themen zu besprechen. Mitarbeiter der Generation Z nutzen lieber einen Messenger. Jüngeren sind flexible Arbeitsmodelle wichtig, sprich: Sie wollen auch mal ein paar Wochen im Ausland arbeiten und generell mehr remote arbeiten. Ältere kommen lieber regelmäßig ins Büro. Hier müssen Möglichkeiten geschaffen werden, sämtliche Bedürfnisse zu berücksichtigen.

HK: Welche Kompetenzen müssen Vorgesetzte mitbringen, um altersbunte Teams gut zu führen?

Sie müssen sich weit öffnen, brauchen auf jeden Fall sehr viel Empathie und eine hohe emotionale Intelligenz. Das ist generell bei Führungskräften wichtig, aber beim Thema ‚Generational Leading‘ besonders. Um auf jedes Teammitglied individuell eingehen zu können, sind viele soziale Fähigkeiten erforderlich. 

HK:Wo sehen Sie hier die größten Konflikte?

Konflikte entstehen häufig dann, wenn die Vorurteile oder Stereotype auf beiden Seiten aufeinandertreffen: Jüngere betrachten ältere Kollegen oft als rückständig, Ältere halten Jüngere für rücksichtslos, vermissen Respekt und werfen ihnen vor, nur sinnstiftenden Tätigkeiten nachgehen zu wollen. Boomer gelten eher als am Kollektiv orientiert. Missstimmung ist nicht nur belastend für das Team, das senkt auch die Produktivität. Wird hier nicht entgegengesteuert, kann das die Effizienz und Effektivität, sprich die Gesamtleistung eines Unternehmens lähmen. 

Hier sollte man effektive Teamprozesse einführen. Arbeiten die Menschen in einem Team verständnisvoll miteinander, ist das Unternehmen generell viel produktiver. Ganz konkret könnte bei einem Konflikt ein ‚Reverse-Mentoring‘-Programm helfen. Man bildet beispielsweise ein Tandem aus einem Mitarbeiter der Generation Babyboomer und der Generation Z. Beide tauschen sich aus, lernen voneinander und entwickeln so neue Perspektiven. Ganz wichtig ist, dass dieses Mentoring nicht einseitig ist, sondern beide Seiten bereit sind, voneinander zu lernen und ihre Vorurteile abzubauen. 

HK: Warum wird es für Führungskräfte immer wichtiger, verschiedene Generationen erfolgreich in Unternehmen zu integrieren?

Grundsätzlich sind altersgemischte Teams immer erstrebenswert. Wenn verschiedene Erfahrungen, Stile und Gewohnheiten aufeinandertreffen, können tolle Ideen entstehen. Vielfalt ist immer anzustreben und man hat dann einen besseren Output. Aber: Es muss gefördert werden. Die Vorgesetzen müssen Vielfalt und Inklusion unterstützen, damit alle sich respektiert und wertgeschätzt fühlen. Alle Stimmen müssen gehört werden. Nur so kann zum Beispiel auch Altersdiskriminierung vorgebeugt werden. Und auf der anderen Seite werden so Fachkräfte länger ans Unternehmen gebunden, was mit Blick auf den demographischen Wandel ein immer wichtigeres Thema wird. 

HK: Klaffen die Vorstellungen einzelner Generationen – von den Boomern bis zur Gen Z – wirklich so weit auseinander? 

Man kann die einzelnen Generationen sicherlich nicht komplett über einen Kamm scheren. Es gibt auch 62-Jährige, die remote arbeiten möchten. Grundsätzlich gelten Baby-Boomer als selbstbewusst, engagiert und veränderungsscheu. Bei der Generation X treten Individualismus und Karriereorientierung hervor; diese Generation gilt als besonders belastbar. Die Generation Y ab 1981 strebt nach Sinn, ist sozial orientiert und hinterfragend. Bei der Generation Z stehen Selbstbestimmung und Spaß im Vordergrund. Die erste Generation, die selbstverständlich mit Online-Medien aufgewachsen ist, gilt auch als sehr fordernd. 

Das Bild, das wir von den einzelnen Generationen haben, stimmt in der Tendenz, aber es gibt natürlich immer Ausnahmen. Deshalb ist ein situativer Führungsstil so wichtig. Man muss jeden Mitarbeiter innerhalb seiner Lebensumstände sehen. Nicht alle Vertreter der Generation Z sind fordernd, sinnsuchend und entscheidungsscheu.

HK: Wie hält man (ältere) Arbeitnehmer bis zum Renteneintritt fit und gesund?

Die Förderung der Gesundheit und des Wohlfühlens und Wohlbefindens älterer Arbeitnehmer bis zum Renteneintritt ist entscheidend, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten und die Rentenübergangsphase zu erleichtern. Meine Empfehlung ist: Implementieren Sie ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement, das Programme zur Förderung der körperlichen und psychischen Gesundheit umfasst. Dies kann Gesundheitschecks, Gesundheitskampagnen, Gesundheitsförderungsprogramme, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und Stressbewältigungstrainings umfassen. Allerdings achten bislang zu wenige Unternehmen darauf, ihren Mitarbeitern etwa Yoga-Kurse anzubieten oder einen ergonomischen Arbeitsplatz einzurichten. Für mittlere und ältere Mitarbeiter ist aber das besonders wichtig. Unternehmen sollten eine gesundheitsfördernde Kultur betonen. Eine weitere Empfehlung sind flexible Arbeitszeitmodelle: Bieten Sie älteren Arbeitnehmern flexible Arbeitszeitmodelle an, die es ihnen ermöglichen, ihre Arbeitszeit an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Dies könnte die Möglichkeit umfassen, Teilzeit zu arbeiten, flexible Arbeitszeiten zu haben oder alternative Arbeitsmodelle wie Jobsharing zu nutzen.

HK: Welche Rolle spielt dabei die Weiterbildung?

Weiterbildung spielt für alle Generationen eine wichtige Rolle. Lifelong learning hat eine hohe Relevanz. Hier muss allerdings nicht nur die Führungskraft jeden einzelnen im Blick haben. Jeder sollte auch etwas für sich selbst tun. Investieren Sie in die Weiterbildung und Entwicklung älterer Arbeitnehmer, um ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten und ihre berufliche Weiterentwicklung zu fördern. Das betrifft sowohl Präsenzveranstaltungen als auch Online-Weiterbildungen. Das kann dazu beitragen, ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten und sie auf den Rentenübergang vorzubereiten.

HK: Sie sind auch Experte für KI: Können altersbunte Teams von Künstlicher Intelligenz profitieren? 

Ja, altersgemischte Teams können definitiv von Künstlicher Intelligenz profitieren. KI kann eine Vielzahl von Vorteilen für Teams bieten, unabhängig von Alter oder Generation. KI-Technologien wie Automatisierung von Prozessen, Chatbots oder intelligente Analysetools können dazu beitragen, Arbeitsabläufe zu optimieren und die Effizienz im Team zu steigern. Dadurch haben ältere Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Erfahrung und Expertise in Bereichen einzubringen, die menschliche Entscheidungen erfordern, während jüngere Mitarbeiter von der technologischen Unterstützung profitieren. KI kann auch bei der Organisation und dem Management von Wissen und Informationen helfen. Dies könnte die Verwendung von Wissensdatenbanken, intelligente Suchmaschinen oder personalisierte Lernsysteme umfassen, die es Mitarbeitern ermöglichen, schnell auf relevante Informationen zuzugreifen und ihr Wissen zu erweitern. 

HK: Ganz konkret für unseren Bereich, die parlamentarische Arbeit in einer Fraktion, gefragt: Wie können Politiker unterschiedlicher Generationen gut zusammenarbeiten? 

Ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Politiker sollten die unterschiedlichen Erfahrungen, Perspektiven und Standpunkte ihrer Kollegen respektieren und anerkennen. Zweitens, eine offene und transparente Kommunikation ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und eine effektive Zusammenarbeit sicherzustellen. Politiker sollten bereit sein, miteinander zu sprechen, zuzuhören und konstruktives Feedback zu geben und anzunehmen. Drittens: Identifizieren Sie gemeinsame Ziele und Interessen, die über generationale Unterschiede hinweg bestehen. Politiker sollten sich auf die gemeinsamen Werte und Überzeugungen konzentrieren, die sie als Partei vereinen, und zusammenarbeiten, um diese Ziele zu erreichen. Und vielleicht noch ein vierter Punkt: Nutzen Sie die Vielfalt der Erfahrungen und Kompetenzen in der Fraktion, indem Sie einen kontinuierlichen Wissensaustausch fördern. Ältere Politiker können von der Erfahrung und Weisheit jüngerer Kollegen profitieren, während jüngere Politiker von der Fachkenntnis und dem Fachwissen älterer Kollegen lernen können.
 

Prof. Dr. Dahm. Buchtitel.
Prof. Dr. Markus H. Dahm ist Organisationsentwicklungsexperte und Berater für Strategie, Digital Change & Transformation sowie Künstliche Intelligenz. Ferner lehrt und forscht er an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in den Themenfeldern Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Kooperationsmanagement und Generationenforschung sowie Leadership. Er publiziert regelmäßig zu aktuellen Management-, Consulting und Leadership-Fragestellungen in wissenschaftlichen Fachmagazinen, Blogs und Online-Magazinen sowie der Wirtschaftspresse. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher.
@Studioline Hamburg
Bildquelle Header: Studioline Hamburg