Herr Freller und Herr von Waldenfels
Interview mit Karl Freller und Kristan von Waldenfels
"Aufbruch und Erfahrung funktionieren gemeinsam im Team"
Lesezeit: 7 Minuten

HK: Herr Freller, Sie sind jetzt 42 Jahre im Landtag – eine lange Zeit mit Durststrecken oder vergangen wie im Flug? 

Die Zeit ist vergangen wie im Flug. Es fühlt sich auch nicht so an, als wäre ich schon so lang im Landtag. Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen wäre, als ich mit 26 Jahren das erste Mal das Maximilianeum betreten habe. Man muss auch sagen, ich fühle mich immer noch der jungen Generation verbunden und ich habe immer Verständnis. Ein Parlament ist schließlich das Spiegelbild der Gesellschaft, da sollten Jung und Alt gleichermaßen vertreten sein.

HK: Kristan von Waldenfels, warum sind Sie mit 23 in die Landespolitik gegangen? Eine Weltreise nach dem Studium wäre doch auch schön gewesen, oder? 

Eine Europareise habe ich immerhin schon gemacht. Mich hat es aber einfach mit unglaublicher Begeisterung in diese politische Welt gezogen. Ich bin deshalb so froh und dankbar, jetzt hier zu sein. Schließlich gehört ja auch viel Glück dazu. Denn was ich gelernt habe ist, dass Politik nicht planbar ist. 

Schon als Bürgermeister ist mir klar geworden: Politische Akzeptanz hängt nicht vom Alter ab, sondern davon, mit welcher Begeisterung man bei der Sache ist. 

HK: Sie sind dienstältester Abgeordneter in ganz Deutschland, den Landtag kennen Sie wie Ihre Westentasche. Was ist Ihr Lieblingsplatz im Maximilianeum, Herr Freller?

Mit Abstand der schönste Platz ist im Steinernen Saal am großen Fenster mit Blick auf München – am besten bei Sonnenuntergang. Es ist insgesamt wirklich eine Gnade, wenn man praktisch ein Leben lang einen solch wunderschönen Arbeitsplatz hat. Dafür bin ich auch enorm dankbar.

Herr Freller und Herr von Waldenfels
Karl Freller zusammen mit Kristan von Waldenfels im Steinernen Saal mit Blick auf München.
CSU-Fraktion

HK: Sie sind mit 23 Jahren in den Landtag gewählt worden, Herr von Waldenfels. Wie fühlt es sich an, immer der Jüngste zu sein?

Man selbst nimmt das gar nicht so wahr. Es sind ja auch viele andere junge Abgeordnete in unsere Fraktion neu dazugekommen. Aber der Blick in meine Richtung geht sicher immer mal nach dem Motto „Wie stellt er sich denn an?“ – und da hoffe ich dann natürlich, dass ich den Anforderungen auch gerecht werden kann.

HK: Ist es schwieriger geworden in den vergangenen Jahren, junge Leute für Politik zu begeistern?

Freller: Es ist schwieriger geworden, ja. Es ist deshalb schwieriger, weil die Gesellschaft sich sehr individualisiert hat und nicht mehr kompakt angesprochen werden kann. Gerade durch Social Media ist die Meinungsvielfalt sehr breit gestreut, und viele verschwinden in geschlossenen Blasen. Deshalb habe ich großen Respekt vor den jungen Abgeordneten. Wir haben jetzt gemeinsam die große Aufgabe, die Jugend zu überzeugen, dass die Sicherung der Demokratie die Zukunft bedeutet.

Von Waldenfels: Es ist tatsächlich so, dass meine Generation jetzt vor mehr Unsicherheiten steht als es vielleicht die Generation meiner Eltern getan haben. Damals gab es feste Rahmenbedingungen, jetzt ist vieles in Bewegung. Die Frage stellt sich schon: Werden wir auch in einigen Jahrzehnten die Freiheit, den Frieden, den Wohlstand und die demokratische Stabilität erleben, wie es unsere Eltern getan haben und wie wir es gegenwärtig tun? 

Die Fragen der Menschen sind breiter und so unterschiedlich fallen dann auch die Antworten aus. Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo Verunsicherung ist, ein Anker für Stabilität sind. Wir müssen in der Lage sein, als politische Kraft der Mitte unsere Lösungen aufzuzeigen und zeigen, dass wir auch die Antworten haben auf die Fragen der Menschen.

HK: Herr Freller, wenn Sie Ihre Anfangszeit als MdL zu heute vergleichen: Was fällt Ihnen da am meisten auf?

Es waren tatsächlich andere Zeiten früher. Es ging gefühlt bis ins Jahr 2000 immer aufwärts, auch wirtschaftlich. Vor allem ab der Corona-Pandemie ist es aber immer schwieriger geworden. Die Menschen sind sehr verunsichert und es gibt „Vereinfacher“ im rechten Spektrum mit einfach dargestellten Lösungen, die nie funktionieren können. Sie wollen so aber den Menschen Hoffnung machen. Wir brauchen jetzt eine absolut solide und verlässliche Politik, damit das Ganze stabil bleibt. Deshalb ist die Herausforderung an die Politiker der nächsten Generation eine höhere, als es vor 25 Jahren war.

Menschen, die ihre Lebensmitte zwischen 1980 und 2020 hatten, durften insgesamt eine sehr positive Zeit erleben. Es waren Jahrzehnte des Aufbaus, die Löhne sind gestiegen, der Wohlstand wuchs usw. Dagegen mussten Menschen, die ihre Lebensmitte zwischen 1910 und 1950 hatten, zwei Weltkriege erleben. Jetzt müssen wir aufpassen, dass das Rad sich nicht wieder rückwärts dreht. Ich engagiere mich deshalb auch sehr im Bereich der Erinnerung. Aber nicht um im Gestern zu leben, sondern um fürs Morgen zu werben. 

HK: Die Jugend mit einbinden, generationenübergreifend zusammenarbeiten: Was können die Jüngeren von den Älteren lernen und umgekehrt? 

Von Waldenfels: Ich habe unglaublich viel von meinen Eltern und als Bürgermeister von meinem Stellvertreter gelernt, der schon über 30 Jahre im Stadtrat ist. Der Zweiklang ist wichtig: Aufbruch und Erfahrung funktionieren gemeinsam im Team. In der Ergänzung vermeintlicher Gegensätze ergibt sich das beste Gesamtangebot. Man sollte einfach mit offenem Blick miteinander arbeiten, dann kommt das Beste dabei heraus – das betrifft nicht nur die typischen Altersfragen. 

Freller: Ich seh‘s ähnlich. Ich komme mit Jüngeren oft viel besser zurecht als mit Gleichaltrigen. Wichtig ist, dass man Empathie hat – egal wie alt man ist. Man muss sich in die Situation anderer, auch junger Menschen hineinversetzen, da stellt man dann auch sehr viele Gemeinsamkeiten fest. Man stellt gleiche Probleme fest und dann sehen auch die Lösungsansätze sehr ähnlich aus. 

HK: Können Sie sich vorstellen, in 42 Jahren noch im Landtag zu sein, Herr von Waldenfels? 

Wie schon gesagt, Politik ist nicht planbar. Das ist das Erste, was man lernt. Ich finde die Frage sehr spannend, weil wir ja aus gegensätzlichen Perspektiven auf die Arbeit im Landtag schauen. Es hängt natürlich von vielen Entwicklungen ab. Ich kann mir das auf jeden Fall vorstellen, aber die Zukunft wird es zeigen, ob ich dann auch auf eine so lange und politisch erfolgreiche Zeit zurückblicken kann wie Charly Freller.

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