Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 Jahren stetig mit dem Alter an. Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem, nach einer Infektion schwerer erkranken. Deswegen gab es vor allem in Alten- und Pflegeheimen ab Mitte März strikte Anweisungen und Besuchsbeschränkungen. Damit die älteren Menschen den so wichtigen sozialen Kontakt mit ihren engen Angehörigen dennoch halten können, haben Jan Steinbach, Einrichtungsleiter im Evangelischen Pflegezentrum Lore Malsch, und sein Team schnell gehandelt und sich etwas einfallen lassen.
„Die richtige Mischung aus Begegnung und Schutz musste es sein und wir wollten gleich zu Beginn der Pandemie reagieren. Deshalb haben wir zum einen sehr schnell ein Besuchsverbot umgesetzt, zum anderen aber kreative Lösungen für unsere rund 130 Bewohnerinnen und Bewohner und deren Familien und Freunde erarbeitet“, so Jan Steinbach. Soziale Teilhabe ermöglichen und dennoch die Hochrisikogruppe schützen – eine schwierige Aufgabe und Gratwanderung für Steinbach und das gesamte Team.
Die erste Maßnahme war der „Gruß an Lore“. Eine digitale Botschaft, die die Verwandten und Bekannten zu den Seniorinnen und Senioren schicken konnten. „Wir wussten, dass das auf längere Sicht nicht die persönlichen Begegnungen ersetzt, aber die Möglichkeit wurde intensiv genutzt und es floss schon die ein oder andere Freudenträne, wenn wir uns die Botschaften mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern angesehen haben“, erinnert sich der Einrichtungsleiter. Per Mail konnten die Botschaften eingereicht werden. Auch aus der Ferne und aus dem Ausland kamen viele Nachrichten, deshalb hat man beschlossen, diese Möglichkeit des Kontakts auch langfristig zu ermöglichen.
Zusätzlich arbeitete das Team an einer Lösung, unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen den direkten Kontakt möglich zu machen. „Wir sind auf die Idee gekommen, aus einem stillgelegten Seiteneingang einen Besuchsraum zu gestalten. Die Mitarbeitenden haben ihn so eingerichtet, dass Hausbewohner ihn von innen und die Angehörigen von außen betreten können. Die Haustechniker haben eine raumteilende Glaswand installiert, zwei Telefone eingerichtet und auf der Gastseite für eine leicht zu desinfizierende Möblierung gesorgt“, so Steinbach. Über ein Anmeldesystem können sich Angehörige und Freunde seitdem für 30-minütige Besuche registrieren. Diese sichere Möglichkeit, sich persönlich zu sehen, wurde sehr gut angenommen, es gab sogar schon erste Anfragen, kleine Geburtstagsfeiern so geschützt abzuhalten. Zudem ist es möglich, bettlägerige Patienten in Ausnahmefällen auch in ihrem Krankenbett in den Begegnungsraum zu bringen.
Doch nicht nur für den Kontakt mit den Liebsten hat sich der Besuchsraum mit Virenschutz etabliert, auch für Therapiesitzungen. „Das geht zum Teil auch gut via Videokonferenz, aber einige Logopädie- oder Ergotherapiesitzungen haben wir nun auch schon in unserem Begegnungsraum abgehalten. Man muss ja auch bedenken, dass Besucher oder Therapeuten mit Kittel, Maske und Schutzausrüstung einfach befremdlich wirken, gerade auch bei unseren Demenzpatienten. In unserem Besuchsraum ist man zwar durch eine Glasscheibe getrennt, aber man kann sich hören, sehen und vor allem anlächeln“, so Jan Steinbach.
Sich mit den Angehörigen und Therapeuten treffen, miteinander reden und lachen. Im virengeschützten Besucherraum des Pflegezentrums ist das ohne Maske und Schutzausrüstung möglich. Personell ist das Ganze natürlich ein zusätzlicher Aufwand, aber das sei es wert. Bisher hat es im Pflegezentrum dank des schnellen Handelns noch keinen Corona-Fall gegeben. „Dafür sind wir dankbar und nehmen den Mehraufwand gerne in Kauf“, sagt Steinbach auch stellvertretend für sein ganzes Team vom Lore Malsch Haus in Riemerling bei München. „Jeder muss sein eigenes Konzept kreieren, um das Infektionsrisiko zu minimieren und wer weiß, vielleicht hat sich die eine oder andere Einrichtung etwas bei uns abschauen können. Der Aufwand ist ja nicht gigantisch. Sicher haben viele Einrichtungen die Möglichkeit, über Nebeneingänge oder Container ähnliche Räume zu schaffen“, hofft Steinbach auf Nachahmer.