Die Zeit einer Krise ist die Zeit der Exekutive – ein häufig zitierter Satz seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Wie setzen unsere Abgeordneten aus dem Landtag Akzente? Nachgefragt bei Bernhard Seidenath, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag.
Wie hat sich Ihre Arbeit als Abgeordneter durch Corona verändert?
Meine Arbeit ist eher mehr geworden, da unglaublich viele Anfragen aus der Bevölkerung kommen. Gerade zu Beginn der Krise waren die Sorgen und Unsicherheiten bei den Menschen groß. Und es ist nach wie vor ein enormer Gesprächs- und Informationsbedarf da. Dafür gibt es in Bayern für die Bürger natürlich verschiedene Anlaufstellen, wie beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung, das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – aber eben auch die Abgeordneten vor Ort.
Wie können wir uns die Zusammenarbeit zwischen Staatsregierung und Fraktion vorstellen? Welche Anstöße geben die Gesundheitspolitiker der Fraktion?
Wir als Legislative sind im ständigen Kontakt mit der Staatsregierung und haben im Landtag verschiedene Themen begleitet: Wir haben einstimmig das Bayerische Infektionsschutzgesetz beschlossen und so der Exekutive weitere Befugnisse an die Hand gegeben. Außerdem haben wir uns beim Bayerischen Rettungsschirm für Rehakliniken eingebracht und mit einem Stufenplan die Wiedereröffnung der Krankenhäuser für aufgeschobene Operationen vorangebracht. Das ist vor allem für die Menschen wichtig, die wegen Corona lange auf OPs warten mussten. Zudem haben wir uns sehr für die Beschäftigten im Gesundheitswesen eingesetzt: Uns war wichtig, dass sogenannte Heilmittelerbringer wie Physiotherapeuten, Logopäden oder Ergotherapeuten für alle Menschen wieder öffnen dürfen. Ein weiteres Thema, bei dem wir uns als Fraktion weiterhin einbringen, ist der Corona-Pflegebonus beziehungsweise welche Personengruppen ihn bekommen sollen. Hier wollen wir vermeiden, dass sich Menschen ungerecht behandelt fühlen, und prüfen genau, welche Berufsgruppen in etwa vergleichbar sind. Insgesamt haben Regierung und Fraktion in den vergangenen Monaten sehr gut zusammengearbeitet. Abgeordnete haben die Staatsregierung in vielen Themen beraten und es gab immer einen engen wechselseitigen Austausch.
Sie haben sicher auch Ideen, wie sich Bayern auf künftige Pandemien vorbereiten kann …
Ja, da haben sich meine Fachkollegen und ich viele Gedanken gemacht. Diese Ideen haben wir gerade in Form eines Antrags in den Gesundheitsausschuss des Landtags eingebracht. Bayern muss analysieren, welche Produkte für die Gesundheitsversorgung knapp geworden oder wo Lieferengpässe entstanden sind. Unser Ziel muss sein, für lebenswichtige Produkte Vorräte anzulegen, also beispielsweise für Medikamente, Schutzausstattungen oder Desinfektionsmittel. Außerdem macht es Sinn Produktionskapazitäten im Land zu schaffen, damit im Falle einer ähnlichen Situation die Produktion sofort hochgefahren werden kann. Wir haben jetzt gesehen, dass wir zu sehr von Ländern wie China abhängig sind.
Welche konkreten Maßnahmen der Gesundheitspolitik haben dazu beigetragen, dass Bayern bislang vergleichsweise gut durch diese Krise gekommen ist?
Dass Bayern all das geschafft hat, war eine Gemeinschaftsleistung aus vielen Bereichen des Gesundheitswesens und der Gesundheitspolitik. Oberstes Ziel war und ist, dass unser Gesundheitssystem der Pandemie standhält. Deshalb haben wir in den Krankenhäusern zunächst alle Kapazitäten für Corona-Patienten freigeräumt. Durch Maßnahmen wie die Ausgangsbeschränkungen haben wir Zeit gewonnen. So konnten wir die Zahl an Intensivbetten massiv erhöhen, Beatmungsgeräte beschaffen oder über 70 Millionen Schutzausrüstungen verteilen. Zudem wurden regionale Hilfskrankenhäuser geplant, um möglichst viele Patienten behandeln zu können. Auch die Gesundheitsämter wurden personell aufgestockt. Als wir gesehen haben, dass der Bedarf an Betten Gott sei Dank doch nicht so hoch ist wie anfangs befürchtet, konnten verschobene Eingriffe, etwa orthopädische OPs und die darauffolgenden Reha-Maßnahmen, wieder anlaufen. Wichtig ist jetzt, dass unser Gesundheitssystem flexibel bleibt und die Behandlungskapazitäten dem jeweiligen Bedarf angepasst werden können.
Waren die strikten Maßnahmen aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig?
Natürlich waren sie das! Wir sehen, dass dieses Virus hochansteckend ist, dass es nicht nur die Älteren und Vorerkrankten trifft und dass wir nicht sagen können, welche Auswirkungen das Virus auf die Bevölkerung hat. Bisher gibt es weder einen Impfstoff noch ein Medikament. Das Einzige, was wir derzeit tun können, ist, die Menschen zu unterstützen, dass ihr eigenes Immunsystem das Virus bekämpft. Experten haben uns im Gesundheitsausschuss gesagt, dass es mindestens bis zum Frühjahr 2021 dauern wird, bis ein Impfstoff verfügbar sein wird. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Am 4. Juni hatten wir in Bayern 47.389 infizierte Menschen. Hiervon sind – bisher – 2.491 verstorben. Das heißt: Jetzt erst recht müssen wir aufpassen, damit es nicht zu einer zweiten Welle kommt. Und jetzt gilt erst recht: Infektionen müssen konsequent nachverfolgt, Infektionsketten sofort unterbrochen werden. Hier ist frühzeitiges und umfangreiches Testen das A und O.
Das Corona-Virus hat die Gesundheitspolitik stark in den Fokus gerückt, auch für jeden Einzelnen von uns. Häufigeres Händewaschen, Niesetikette, mehr Distanz – das gehört derzeit für viele Menschen zur Alltagsroutine. Glauben Sie, dass sich da grundsätzlich etwas geändert hat?
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Wir sehen es ja in asiatischen Ländern – Taiwan oder Japan – dass dort Mund-Nasen-Bedeckungen und Distanz viel verbreiteter sind als bei uns. Das hat mit dem SARS-Ausbruch von 2003 zu tun und hat sich seither gehalten. Ich denke schon, dass auch bei uns einiges bleibt. Die Menschen haben zudem gesehen, dass selbst „kleine Maßnahmen“ eine große Wirkung haben und so jeder Einzelne mithelfen kann, das Virus einzudämmen. Wenn wir hiervon einige Dinge beibehalten, kann uns das wiederum auch bei anderen Krankheiten wie zum Beispiel Influenza helfen.