Seit Ausbruch des neuartigen Sars-CoV-2-Virus arbeiten Forschungseinrichtungen und Unternehmen weltweit unter Hochdruck an Mitteln gegen das Virus. Im oberbayerischen Penzberg entwickelten die Mitarbeiter des Schweizer Unternehmens Roche den Antikörpertest „Elecsys® Anti-Sars-CoV-2”, der seit Mai weltweit zum Einsatz kommt. Ziel der Tests ist es, mit Blutproben die Immunantwort des Körpers auf das Virus zu entdecken.
Dr. Manuela Kemmerich, Projektleiterin im Design Transfer bei Roche Diagnostics, arbeitet an der Schnittstelle zwischen Forschung und Produktion und ist für die Kommunikation zwischen beiden Bereichen zuständig. „Unser Test weist nicht das Virus selbst nach, sondern die Antikörper, die der Körper als Schutzmaßnahme bildet, wenn er infiziert ist. Es ist faszinierend zu sehen, was der menschliche Körper leistet und wie wir das für unsere Forschung nutzen können“, so Kemmerich. Das Wichtige an Antikörpertests ist, dass sie genau sind. „Hier ist der Antikörpertest Elecsys® mit einer Spezifität von 99,8 Prozent und einer Sensitivität von 100 Prozent weltweit führend“, so Kemmerich. Das heißt: Der Test erkennt nur das Sars-CoV-2-Virus, schließt somit falsch positive Ergebnisse fast komplett aus und alle Erkrankten werden auch erkannt.
Obwohl noch nicht geklärt ist, wie lange Menschen nach einer Erkrankung gegen das Virus immun sind, sei der Antikörpertest dennoch wichtig. Manuela Kemmerich betont: „Der Test erkennt, ob jemand infiziert war, auch wenn er keine Symptome hatte. Das hilft dem Gesundheitssystem, weil wir erfahren können, wie viel Prozent der Bevölkerung das Virus bereits hatten.“ Mit diesem Wissen könne die Politik konkrete Maßnahmen treffen, wenn es zum Beispiel um die Öffnung bestimmter Bereiche geht. „Auch für medizinisches Personal ist ein Antikörpertest immens wichtig“, so Kemmerich weiter. „So haben Pfleger oder Ärzte eine Gewissheit, ob sie wieder zur Arbeit gehen können.“ Zudem könne man identifizieren, welche Menschen noch besonders gefährdet sind, etwa diejenigen, die das Virus noch nicht hatten. Derzeit werde intensiv daran geforscht, wie lange Menschen nach einer Infektion immun gegen das Coronavirus sind – ein wichtiger Punkt auch bei der Entwicklung eines Impfstoffes.
Teamwork ist der Schlüssel
Hunderte Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Abteilungen und Standorte waren an der Herstellung des neuen Tests beteiligt – das Know-how kommt aus Penzberg. Zum Vergleich: „Normalerweise braucht es drei bis vier Jahre, bis ein solcher Test von der ersten Idee bis zur Produktion fertig ist. Jetzt waren es nur wenige Wochen“, erzählt die promovierte Biologin. „Jeder einzelne Schritt ist sehr komplex und die hohen Qualitätsstandards müssen ja trotzdem eingehalten werden.“ Die Forschungs- und Entwicklungsteams stehen zudem im engen Austausch mit nationalen und internationalen Forschungsinstituten. Hunderte verschiedener Einsatzstoffe müssen am Ende zusammengefügt und in kleine Reagenzfläschchen abgefüllt werden.
Nach der Abfüllung gehen die Flaschen nach Mannheim, wo sie verpackt und etikettiert werden und Packungsbeilagen erhalten. Nach erfolgreicher Qualitätskontrolle treten die Tests vom globalen Roche-Logistikzentrum für Diagnostika in Mannheim aus ihre Reise in die ganze Welt an. Forschung und Entwicklung, Produktionsplanung, die verschiedenen Produktionsschritte, Qualitätskontrolle, Verpackung, Logistik oder auch das zertifizierte Lieferantennetzwerk – alles muss optimal zusammenpassen.
Dass in Penzberg sowohl Forschung als auch Produktion angesiedelt sind, hat die Entwicklung des Antikörpertests deutlich vereinfacht. „Die enge Abstimmung der Bereiche war das A und O in dieser außergewöhnlichen Situation“, berichtet Manuela Kemmerich.
Klasse und Masse
Doch nicht nur schnell, sondern auch in großer Menge müssen die Antikörpertests nun produziert werden. Dank der Schnellzulassung in den USA laufen die Geräte zur Produktion und Abfüllung in Penzberg nun rund um die Uhr. Seit Anfang Mai liefert Roche an Labore in der ganzen Welt aus. Ab Juni soll im hohen zweistelligen Millionenbereich produziert werden, um weltweit möglichst viele Menschen testen zu können.
„Natürlich hatten auch wir Corona-bedingte Einschränkungen“, berichtet Manuela Kemmerich. „So gab es zeitweise Engpässe bei Blutproben. Auch die Logistik war aufgrund des eingeschränkten Flugverkehrs nicht immer einfach zu planen. Das Wichtigste aber ist, dass unsere Teams gesund und einsatzfähig bleiben. Deshalb bleiben hier im Werk die Schichten immer getrennt, unsere Kantine liefert an die Abteilungen aus und wir müssen wie alle anderen auch sehr auf Abstände achten.“ Zusätzlich musste neben den Antikörpertests auch die Herstellung aller anderen lebensnotwendigen Tests normal weiterlaufen.
Wie fühlt es sich im Rückblick an, bei der Neuentwicklung eines Tests unter solchen Umständen mitzuarbeiten? Manuela Kemmerich ist stolz: „Für mich persönlich war es schon etwas Besonderes, hier meinen Beitrag leisten zu dürfen. Das ganze Team hat in den vergangenen Monaten Enormes geschafft. Jetzt ist es schön zu sehen, wenn die eigene Arbeit in Laboren weltweit zum Einsatz kommt und wir die Rückmeldungen aus allen Teilen der Welt bekommen.“
Aus Bayern in die Welt
Auch in Zukunft sollen Tests dieser Art in Penzberg entwickelt und produziert werden. Roche investiert 250 Millionen Euro in einen neuen Hub, um Forschung, Entwicklung und Produktion in Penzberg auszubauen. Weitere 170 Millionen Euro gehen in den Ausbau biochemischer Produktionsanlagen. Auch der Freistaat Bayern fördert die Vorhaben, wie Ministerpräsident Dr. Markus Söder bei seinem Besuch Anfang Mai in Penzberg bestätigte. „Gerade in dieser Pandemie-Situation hat jeder gemerkt, wie entscheidend diagnostische Tests sind“, so Manuela Kemmerich abschließend. „Auch in Zukunft wird es wichtig sein, gut gerüstet zu sein und weltweit schnell liefern zu können.“