Wandern in Europa
Gemeinsam erreichen wir mehr – das nehmen immer mehr Gemeinden in Bayern wörtlich und schließen sich in der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) zusammen. Ziel: lebendige Vielfalt in Dorf und Landschaft gestalten. Bei ILE-Projekten werden unter anderem auch die Anliegen der Landwirtschaft unterstützt, etwa beim Ausbau von Wegen, bei der Einkommensdiversifizierung, in der Regionalvermarktung oder bei der Landschaftspflege.
Was zwischen Gemeinden funktioniert, funktioniert auch über Ländergrenzen hinweg. Bestes Beispiel ist das grenzüberschreitende ILE-Projekt „Wandern im Herzen Europas“. Wanderwege, Besucherzentren und Museen der niederbayerischen Gemeinden Bayerisch Eisenstein, Lindberg, Frauenau, Spiegelau, St. Oswald-Riedlhütte und Neuschönau sowie ihre tschechischen Partner am Nationalpark Šumava werden so vernetzt, dass beide Regionen profitieren.
Andrea Rothkopf vom Büro für Destinations- und Regionalentwicklung koordiniert die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure: „Es ist spannend, den europäischen Gedanken in die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger zu heben.“ „Die Zusammenarbeit der sechs Gemeinden auf bayerischer Seite mit den 13 Nachbarn auf tschechischer Seite ist auch deshalb so erfolgreich, weil alle Partner ganz deutlich den Mehrwert der Zusammenarbeit erkennen“, ergänzt Nina Kiehlbrei, die die ILE Nationalparkgemeinden seitens des Amtes für Ländliche Entwicklung Niederbayern betreut.
Dass diese Initiative ein absolutes Vorzeigeprojekt für die ländliche Entwicklung ist, sieht auch die „Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume“ so. Beim bundesweiten Wettbewerb „Gemeinsam stark sein“ hat das Wander-Projekt der ILE Nationalparkgemeinden im Bayerischen Wald den ersten Platz belegt. Gefördert wird das Projekt durch das Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Bayern–Tschechische Republik ZIEL ETZ 2014–2020, einer Initiative im Rahmen der Europäischen territorialen Zusammenarbeit (INTERREG). Für grenzübergreifende Projekte im Rahmen von INTERREG werden in der aktuellen Förderperiode insgesamt 197 Millionen Euro aus Europa speziell in den bayerischen Grenzräumen wirksam. Für Andrea Rothkopf und Nina Kiehlbrei sind solche grenzübergreifenden Projekte der Schlüssel zu einer nachhaltigen Entwicklung in den ländlichen Gebieten.
Und wie nehmen die Menschen vor Ort das ILE-Projekt an? „Die neuen und spannenden Naturerlebnisse in der bayerisch- böhmischen Region kommen sowohl bei den Einheimischen als auch bei den Gästen sehr gut an“, freut sich Kiehlbrei. Andrea Rothkopf ergänzt: „Gerade bei der Bewerbung für den Bundeswettbewerb haben wir den positiven Zuspruch gemerkt. Keine Fachjury, sondern die Stimmen aus der Bevölkerung waren entscheidend. Die Menschen in der Region haben regelrecht mitgefiebert und das hat uns bestärkt, dass wir hier im Sinne der Menschen vor Ort handeln.“
Und wie geht es weiter? „Das Projekt wird im Juni diesen Jahres abgeschlossen“, so Kiehlbrei, „aber das ist erst der Anfang.“ Die Partnergemeinden wollen künftig auch in anderen Bereichen zusammenarbeiten. Unterstützung erfahren die Gemeinden dabei weiterhin vom Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern, das sowohl fachlich berät, finanziell unterstützt und künftig auch technische Lösungen in der interkommunalen Zusammenarbeit anbietet. So soll es für die ILEen in Niederbayern bald eine Gemeinde-App geben, mit der die Bürger schnell und einfach mit Neuigkeiten und Infos aus der Region versorgt werden – denkbar für die ILE Nationalparkgemeinden dann auch in deutscher und in tschechischer Sprache. Andrea Rothkopf bekräftigt: „Wir denken in Möglichkeiten und überwinden damit nicht nur physische Grenzen, sondern auch vermeintliche Grenzen in den Köpfen der Menschen. Das macht die Arbeit für eine gemeinsame, lebenswerte Heimat so wertvoll!“
KULAP in der Praxis
Um einen zusätzlichen Anreiz für umweltschonende Maßnahmen in der Landwirtschaft zu setzen, gewährt Bayern mit seinem einzigartigen Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) Landwirten bereits seit 1988 Ausgleichszahlungen für umweltschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen. Das KULAP wird gemeinsam aus Mitteln des EU-Haushalts, des Bundes und Bayerns finanziert.
Bei einem Vor-Ort-Besuch in Niederbayern zeigt uns Georg Mayerhofer KULAP in der Praxis. Auf seinem Maisfeld in Parschalling in Niederbayern nutzt er das so genannte Strip-Till-Verfahrens, eine Bodenbearbeitung, die Felder besser vor Erosion schützt. Am Rand seines Sojafelds hat er einen Gewässerschutzstreifen angelegt, in dem verschiedene Tierarten einen Rückzugsort finden. In diesem Blühstreifen, für den Mayerhofer die KULAP-Förderung erhält, wird kein Pflanzenschutzmittel ausgebracht und nicht gedüngt. Georg Mayerhofer ist zudem Imker und verkauft auf seinem Hof den selbst hergestellten Honig. Für seine Blühwiese erhält Georg Mayerhofer auch eine Förderung aus dem KULAP.
„Insektensterben, Pflanzenschutzmitteleinsatz – das sind alles große Herausforderungen. Aber eine der größten Herausforderungen für unseren Berufsstand ist, dass wir mit unserer Landwirtschaft im europäischen Wettbewerb bestehen können. Deshalb sind Programme wie das KULAP top, weil sie Umweltleistungen auf landwirtschaftlichen Flächen honorieren und Einkommenseinbußen damit ausgleichen", so Mayerhofer.
„Wir brauchen kluge Strategien, wie die Landwirtschaft auch in Zukunft tragfähig ist", so Mayerhofer. Verbote seien nicht die Lösung, ist er sich sicher. Mayerhofer ist Mitglied einer Arbeitsgruppe der Bayerischen Staatsregierung und sucht dort nach Möglichkeiten, die bayerische Landwirtschaft zukunftsfit zu machen: „Digitalisierung ist für mich einer der Schlüssel für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft. Neue Technologien machen eine punktgenaue Düngung möglich, was wiederum die Natur schont. Auch die Feldrobotik bringt Vorteile", so Mayerhofer.
Das Förderprogramm KULAP gibt es bereits seit 1988, jeder zweite bayerische Landwirt nimmt aktuell an den Fördermaßnahmen teil. Sie reichen von Blühflächen an Gewässerschutzstreifen über vielfältige Fruchtfolgen bis hin zu bodenschonenden Saatverfahren. Mittlerweile werden auf über einer Million Hektar freiwillige Maßnahmen mit rd. 280 Mio. € honoriert. Davon werden über ein Drittel von der EU erstattet. Die EU ist damit ein wichtiger Partner bei der Umsetzung der von uns favorisierten Politik „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“.
Die Liebe zur Natur und Landwirtschaft gibt Georg Mayerhofer an seine drei Söhne weiter. Mit ihnen würde er den Betrieb gerne in die nächste Generation führen: „Wir leisten täglich unseren Beitrag für gesunde Lebensmittel und für die Natur. Auch wenn es nicht immer einfach ist, möchte ich unbedingt in der Landwirtschaft bleiben. Wir müssen uns überlegen, wo wir in den nächsten Jahren hinwollen. Kompromisse und gegenseitiges Verständnis sind für mich der Weg, unsere vielfältige und einzigartige Landwirtschaft in Bayern zu erhalten."
Vielfalt und Qualität auf unseren Tellern
Martin Schöffel, Vorsitzender des Arbeitskreises für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Stellen Sie sich einmal eine herzhafte bayerische Brotzeit oder ein leckeres Frühstück vor: Überwiegend Produkte von Feld und Hof, vom Landwirt aus Ihrer Region. Eine Auswahl, die es nur dank einer vielseitigen Landwirtschaft gibt! Die Europäische Union unterstützt dabei unsere Landwirtschaft in ganz erheblichem Maße. 1957 war nicht nur das Geburtsjahr der EU, sondern auch das Gründungsjahr einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. In den 60 Jahren seit ihrer Einführung hat die EU zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um günstige Bedingungen für die Landwirtschaft und die Landwirte zu schaffen. Davon profitieren auch unsere bayerischen Landwirte enorm! Mit Direktzahlungen, der ersten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik, sichert die EU das Einkommen der Landwirte und schafft einen Ausgleich für die höheren Standards gegenüber Drittstaaten. Bayerns Landwirte erhalten jährlich 1 Milliarde Euro an Direktmitteln der EU. Bäuerliche Familienbetriebe liegen uns besonders am Herzen. Deshalb haben wir uns für die höhere Förderung der ersten Hektare von landwirtschaftlichen Betrieben stark gemacht. Mit Erfolg: 40 Millionen Euro mehr pro Jahr für Bayerns Landwirte haben wir damit erreicht! Mit Geldern aus der zweiten Säule der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik wird eine besonders umweltschonende Bewirtschaftung unterstützt. Außerdem wird damit der höhere Aufwand in schwerer zu bewirtschaftenden Gebieten ausgeglichen. Das erfolgreichste Förderelement für unsere Landwirte ist das Bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP). Es belohnt Agrarumweltleistungen der Landwirte und setzt den Grundsatz bayerischer Agrarpolitik „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ um. Inzwischen werden mehr als eine Million Hektar über das KULAP gefördert. Fast jeder zweite Landwirt in Bayern beteiligt sich an diesem Programm. Die Mittel stammen zur Hälfte aus dem Bayerischen Agraretat – 50 Prozent übernimmt die EU. Um die regionale und ländliche Entwicklung zu fördern, gibt es die Gemeinschaftsinitiative „LEADER“. Die Europäische Kommission finanziert damit auch Projekte im Sektor Landwirtschaft, die gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort entwickelt werden. Die gemeinsame Agrarpolitik war immer eine Stütze unserer bäuerlichen Betriebe. Wir wollen, dass nachhaltige bäuerliche Betriebe weiter gestärkt werden. Kapitalgesellschaften mit großem Grundbesitz dürfen keine Flächenprämien mehr erhalten. Sie profitieren bereits von Skaleneffekten bei der Bewirtschaftung. Die Zahl der Arbeitskräfte muss hier mit einbezogen werden. Wir werben in Brüssel dafür, dass unser „Bayerischer Weg der Agrarpolitik“ auch weiterhin in Europa honoriert und unterstützt wird. Damit sich der wertvolle Beruf Landwirt in einem klassischen Betrieb auch weiterhin lohnt und die Menschen in Bayern und Europa auch künftig von Vielfalt und Qualität auf ihren Tellern profitieren!