Wir reisen und arbeiten in anderen EU-Ländern, haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Europa ist aus dem Alltag der Menschen nicht wegzudenken. Die EU bietet Freiheiten und Vorzüge. Zudem beeinflusst sie inzwischen etwa die Hälfte der Bundesgesetze, die damit auch Bayern und die anderen Bundesländer betreffen. Umso wichtiger ist es, dass Bayern seine Interessen in Europa vertritt und seinen Einfluss auch dort geltend macht.
„Bayern war immer ein überzeugter Verfechter eines starken und soliden Europas. Daher ist es selbstverständlich, dass wir uns auch als Region auf europäischer Ebene einbringen“, betont Bayerns Europaminister Dr. Florian Herrmann. Dabei ist die Begleitung der Europapolitik Aufgabe aller Ressorts der Bayerischen Staatsregierung. Die Möglichkeiten, auf die politischen Prozesse in Brüssel Einfluss zu nehmen, sind vielfältig: Sie reichen von den formellen Mitwirkungsrechten im Bundesrat und dem Ausschuss der Regionen über die Entsendung von Ländervertretern in Ratssitzungen bis hin zu politischen Gesprächen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. „Ich stehe in regelmäßigem Kontakt mit unseren bayerischen Europaabgeordneten, allen voran Manfred Weber, um auf bayerische Interessen hinzuweisen und um für unsere Ideen und Vorstellungen zu werben“, erklärt Dr. Herrmann.
Nicht nur die Staatsregierung bringt sich in Europa ein, sondern auch der Bayerische Landtag. Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen befasst sich mit allen grundsätzlichen Themen und Fragestellungen der Europäischen Union. Ziel ist, dass Bayern sich möglichst frühzeitig in europapolitische Überlegungen einbringen kann. „Wichtig ist vor allem, ein genaues Lagebild der politischen Meinungsbildung auf verschiedenen Ebenen zu erhalten. Dazu führt der Ausschuss beispielsweise Expertenanhörungen durch, informiert sich regelmäßig über die Schwerpunkte der Tätigkeit der EU-Kommission oder tauscht sich mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Mitgliedstaaten aus“, so der stellvertretende Ausschussvorsitzende Dr. Franz Rieger.
Einen Schwerpunkt der Ausschussarbeit bildet die Subsidiaritätskontrolle von Verordnungs- und Richtlinienentwürfen der EU. Dr. Rieger: „Wir wollen, dass sich Europa um die großen Herausforderungen kümmert. Was in den Mitgliedstaaten und Regionen entschieden werden kann, soll möglichst dort geregelt werden. Das gewährleistet passende Lösungen vor Ort.“
Seit 2010 hat der Landtag auch eine eigene Kopfstelle in Brüssel. Das Kontaktbüro informiert das bayerische Parlament und insbesondere den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten über relevante Vorhaben und Entwicklungen auf europäischer Ebene. Umgekehrt werden aber auch Informationen aus dem Bayerischen Landtag nach Brüssel vermittelt. Die Kopfstelle bereitet zudem Termine der Gremien und der Abgeordneten des Bayerischen Landtags in Brüssel vor. „Es geht darum, dass der Bayerische Landtag seine Mitsprachemöglichkeiten im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle kompetent und effektiv wahrnehmen kann“, so Christine Claaszen, Leiterin der Kopfstelle in Brüssel. Nur acht Bundesländer in Deutschland haben eine solche eigenständige Vertretung ihrer Parlamente in Brüssel, die unabhängig von der Regierung agiert. Die Kontaktstelle leistet wertvolle Arbeit für die Abgeordneten und den Landtag: „Wer vor Ort ist, bekommt schneller mit, welche Überlegungen in Brüssel angestellt werden und kann sich dann rechtzeitig einbringen“, erklärt Dr. Franz Rieger. „Vernetzung ist grundsätzlich ein Schlüssel zum Erfolg.“
Vernetzung – das ist auch die Aufgabe der Bayerischen Vertretung. Sie ist sozusagen das Hör- und Sprachrohr Bayerns in Brüssel – und wichtige Anlaufstelle für den gemeinsamen Austausch. „Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett und ich reisen regelmäßig nach Brüssel, um persönliche Gespräche zu führen. Bei meinem ersten Besuch als Europaminister in Brüssel am 22. Januar diesen Jahres habe ich mit dem Kommissar für Haushalt und Personal, Günther Oettinger, über Agrar- und Hochschulfördermittel und die Bedeutung eines funktionierenden Binnenmarkts für bayerische Arbeitsplätze, digitale Produkte und Dienstleistungen gesprochen“, erzählt Dr. Herrmann. Auch mit der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU gibt es gute Kontakte. Welche Vorschriften plant die Kommission? Wie ist die Haltung im Europäischen Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten? Die rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Vertretung sind eine Art „Frühwarnsystem“ und unterstützen dabei, bayerische Interessen rechtzeitig einzuspeisen und auf europäische Entscheidungen maßgeblichen Einfluss zu nehmen. Beispiel Schleierfahndung: Zunächst führte die Kommission deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Der Freistaat leistete daraufhin über die Bayerische Vertretung intensiv Überzeugungsarbeit bei den Akteuren in Brüssel, warum die Schleierfahndung gut und wichtig ist. „Mit Erfolg“, freut sich Dr. Herrmann, „die Kommission hat schlussendlich den Mitgliedstaaten dieses Instrument ausdrücklich empfohlen, um Europa sicherer zu machen. Ein Beleg dafür, dass Bayerns Einfluss in Europa wirkt.“ Und mehr Einfluss der Regionen kann auch für mehr Akzeptanz bei den Bürgern sorgen.
Für Dr. Franz Rieger ist Europa eine Herzensangelegenheit: „Die längste Phase des Friedens in Mitteleuropa ist ein unwiderlegbarer Beweis für den Erfolg des europäischen Projektes. Meine Heimatstadt Regensburg ist seit jeher Zentrum europäischer Kultur und ihre gesamte zweitausendjährige Vergangenheit ist davon geprägt. In der Zeit des Immerwährenden Reichstags im 17. und 18. Jahrhundert war Regensburg Treffpunkt von Diplomaten aus verschiedensten Ländern. Den Geist dieser Vergangenheit nehme ich als Motivation meiner Arbeit für ein Europa der Zukunft.“ Dr. Florian Herrmann ergänzt: „Bei vielen zentralen Entscheidungen der europäischen Integration waren gerade bayerische Politiker maßgeblich beteiligt. Bis heute ist Bayern Vorreiter bei der Stärkung der europäischen Regionen.“ Die Menschen in Bayern können sich darauf verlassen, dass ihre Interessen nicht nur im Bund, sondern auch in Europa vertreten werden.