Markus Söder und Edmund Stoiber
Gespräch
EU ohne Bayern? - Wie Weißwurst ohne Senf!

Wie geht es Europa? Wieso ist Bayern so wichtig für die EU und was muss sich ändern, damit der angeschlagene „Patient“ Europa sich wieder erholt? Die Herzkammer hat mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber über das „Friedensprojekt Europa“ gesprochen. Wir treffen den Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder und den früheren Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber im Akademiesaal des Bayerischen Landtags. „Schön, mal wieder hier zu sein!“, sagt Stoiber zur Begrüßung, von 1993 bis 2007 war er Ministerpräsident. 1957, als mit den Römischen Verträgen der Grundstein für Europa in seiner heutigen Form gelegt wurde, war er gerade 15 Jahre alt. Herr Dr. Stoiber, hatten Sie damals schon eine Ahnung, welche große Bedeutung die Römischen Verträge für die Zukunft Europas haben würden? Edmund Stoiber: Ich habe noch die Generation erlebt, die an der Front war. Mein Großvater, die Lehrer in der Schule – alle waren geprägt von den Geschichten der Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Plötzlich ist dann aus dem damaligen Feind ein Partner, ein Freund geworden. Das ist schon eine tolle Sache und ich sage heute, als jemand, der die Welt ein bisschen kennt, immer wieder: Das ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte! Markus Söder: Ich bin zwar nicht in Zeiten des Krieges, aber in Zeiten des Kalten Krieges geboren. Meine ganze politische Sozialisation war immer „Ost-West“, mit der Nato als verbindendes Element zwischen den USA und Europa. Von Nürnberg aus musste man nur eine Stunde mit dem Auto fahren, dann hat man gesehen, was ein unfreies Europa bedeutet. Es war erschreckend, wenn man Mauer, Stacheldraht und Schießautomaten gesehen hat. Deswegen war für mich immer klar, dass Europa eine Freiheitsidee ist – sich frei zu bewegen und frei zu leben. Ich habe die Deutsche Einheit und den Zusammenbruch des Kommunismus auch als einen Sieg Europas betrachtet, als einen Sieg der Freiheit, der Menschenrechte und des Willens, als Gemeinschaft zusammenzuwachsen.

Markus Söder zum Beitrag "EU ohne Bayern"
Dr. Markus Söder
@CSU-Fraktion

Was verbinden Sie heute mit Europa?

Markus Söder: Europa ist für mich vor allen Dingen eine Wertegemeinschaft, mit gleichen und individuellen Werten. Ganz im Unterschied zu kollektivistischen Systemen, wo die Masse zählt, aber nicht der Einzelne. Europa hat der Welt in der Geschichte viel Gewalt beschert, aber das wertvolle Erbe sind die Menschenrechte. Europa ist auch Kulturgemeinschaft. Die christlich-abendländische Idee verbindet ganz Europa. Und obwohl wir viele verschiedene Sprachen sprechen, gibt es einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund. Es ist einfach schön, Europäer zu sein.

Edmund Stoiber: Europa steht für die Grundwerte, natürlich im Besonderen für die des Christentums: Einzigartigkeit des Menschen und Freiheit des Menschen – das ist das Substanzielle, das ich mit Europa verbinde. Jeder Mensch ist einzigartig und jeder Mensch hat die gleichen Rechte.

Welche Rolle spielt Bayern in Europa?

Markus Söder: Bayern liegt im geografischen Herzen von Europa. Bayern ist eine der leistungsstärksten Regionen, was Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft betrifft. Und Bayern hat eine gewisse Sonderrolle, weil Bayern auch für das Selbstbewusstsein von Regionen steht.

Edmund Stoiber: Deshalb hat der damalige Ministerpräsident Max Streibl den europäischen Ausschuss der Regionen durchgesetzt. Er hat zu Helmut Kohl damals gesagt: Wir stimmen dem Maastricht-Vertrag 1992 nur zu, wenn der Ausschuss der Regionen etabliert wird.

Markus Söder: Europa ist nicht nur ein Verbund der Staaten, sondern tatsächlich eine große Gemeinschaft vieler Regionen von Sprachen, aber einer Kultur und damit Heimat.

Wie geht es dem „Patienten“ Europa aktuell?

Markus Söder: Ich glaube, vielen Menschen in Deutschland ist noch gar nicht bewusst, vor welch ernsthafter Herausforderung wir in Europa stehen. Nationalisten und Populisten wollen den Kontinent spalten. Deswegen ist es ganz wichtig, alle in Europa mitzunehmen. Wir müssen Kompromisse machen und aufeinander zugehen. Man muss nicht alles hundertprozentig durchsetzen, aber wie wollen wir denn gegenüber den USA, China oder Russland eine ernstzunehmende Position finden, wenn wir nicht zusammenhalten? Jeder allein, selbst Deutschland und Bayern, wäre nicht in der Lage, allein seinen Platz in der Welt genauso gut zu finden.

Edmund Stoiber: Natürlich ist Europa heute in einem Zustand, den ich mir vor 20 Jahren nicht hätte vorstellen können: Dass es immer mehr Parteien gibt – Rassemblement National in Frankreich, Lega in Italien, die AfD in Deutschland – die nicht das freie und demokratische Europa wollen, sondern dieses Europa zerstören wollen, um die Nation vor alles zu stellen.

Was muss sich ändern, damit Europa zukunftsfähig bleibt?

Edmund Stoiber: Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, der jungen Generation – der Generation meines 20-jährigen Enkels – zu vermitteln, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir hier in Europa in Frieden leben können. Für diese Generation ist das ganz normal, genau wie es für junge Menschen normal ist, dass man überall in Europa leben und arbeiten kann und eine weitgehend gemeinsame Währung hat. Aber ich will Franz Josef Strauß zitieren, der einmal gesagt hat: „Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er will“. Wir müssen den Menschen erklären: Europa war ein Kontinent der Kriege. Erst 1951 kam mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl der große Versöhnungsgedanke, das „Nie Wieder“. Dieser Versöhnungsgedanke war der Anfang vom neuen Europa. Leider ist das heute vielen nicht mehr bewusst. Und das wird sicher auch ein großes Thema werden bei den Wahlen: Den Menschen Europa wieder nahe zu bringen.

Apropos Europa-Wahlen: Warum ist die Europawahl diesmal für die Menschen in Bayern so wichtig?

Markus Söder: Wir haben mit Manfred Weber einen großartigen Kandidaten an der Spitze, der die Chance hat, Kommissionspräsident zu werden. Das erste Mal seit 50 Jahren wieder ein Deutscher und das erste Mal in der Geschichte ein Bayer und CSUler. Das allein ist eine gute Begründung. Denn neben den ganzen „großen“ Fragen gibt’s auch immer noch die Frage: Wie kann bayerische Lebensart sich ein Stück weit in Europa wiederfinden? Alle anderen Parteien in Bayern haben Hinterbänkler oder Zählkandidaten auf der Liste, wir haben den möglichen Chef von Europa. Das ist ein gutes Argument!

Edmund Stoiber zum Beitrag "EU ohne Bayern"
Dr. Edmund Stoiber
@CSU-Fraktion

Kurz & Knapp

Edmund Stoiber

Europa ist wichtig für den Frieden, weil ...

Europa gekennzeichnet ist durch Freiheit und Demokratie. Von diesem Kontinent wird nie in der Welt ein Krieg ausgehen, wir sind zum Friedenskontinent geworden!

Markus Söder

Die EU in einem Satz:

Schwierig, anstrengend, langwierig – aber echt ohne Alternative.

Edmund Stoiber

Europa ist für mich ...

der Kontinent, in dem ich geboren und aufgewachsen bin und mich zuhause fühle.

Markus Söder

Bayern ohne die EU wäre ...

auf jeden Fall ziemlich arm, weil die Europäische Union unser Wirtschafts-, aber auch unser Kulturraum ist.

Edmund Stoiber

Die Jugend ist für Europa ...

die Hoffnung, die Zuversicht, die Zukunft schlechthin.

Markus Söder

Die EU ohne Bayern ...

wäre wie Weißwurst ohne Senf.

Edmund Stoiber

Die Herzkammer Europas ...

liegt in einem weltoffenen und über 1000 Jahre bestehenden Bayern.

Edmund Stoiber

Europa in 20 Jahren ...

wird vielleicht ein Kontinent sein, der mit Mehrheitsentscheidungen wichtige Dinge in der Außen- und Sicherheitspolitik bestimmen kann.

 

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